Die Deza kehrt nach Afghanistan zurück

Frauen in Burkas sitzen auf dem Boden und warten.
AFP via Getty Images/SANAULLAH SEIAM
Afghanische Frauen warten im August 2023 in Kandahar auf Nahrungsmittelhilfe aus dem Ausland. Wer den Menschen in Afghanistan helfen will, kommt an den Taliban nicht vorbei, betonen humanitäre Helfer.
Schweiz
Die Schweizer Entwicklungsagentur Deza eröffnet in Kabul ein Büro für humanitäre Hilfe. Mit den Taliban werde es „keine Deals“ geben, aber man müsse sich mit ihnen arrangieren, heißt es.

Nach der Machtübernahme der islamistischen Taliban im Sommer 2021 hat sich der Westen aus Afghanistan zurückgezogen. Auch die Schweiz: Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) schloss ihr Kooperationsbüro in der Hauptstadt Kabul  und evakuierte das Personal nach Pakistan. 

Jetzt will die Schweiz das Büro wiedereröffnen, um humanitäre Hilfe zu leisten. Vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe sollen gemeinsam mit zehn afghanischen Kolleginnen und Kollegen von Kabul aus Projekte durchführen, vor allem in den Bereichen Lebensmittelhilfe, Wasser- und Gesundheitsversorgung. Auch Frauenorganisationen sollen unterstützt werden. Dafür arbeitet die Deza mit internationalen und lokalen Hilfsorganisationen zusammen, darunter UN-Organisationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz.

Die Schweiz geht damit einen anderen Weg als etwa Deutschland, dessen staatliche Entwicklungsagentur GIZ im Sommer ankündigte, bis 2025 auch ihr lokales Personal vollständig aus Afghanistan zurückzuziehen. Silvio Flückiger, stellvertretender Chef der humanitären Hilfe bei der Deza, begründete den Schritt der Schweiz gegenüber dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), die Hilfe für die afghanische Bevölkerung sei „am wirkungsvollsten, wenn die Schweiz vor Ort präsent ist“. Tatsächlich befindet sich das Land in einer schweren humanitären Krise: Die Hälfte der Bevölkerung ist von Armut betroffen und 90 Prozent können ihren Grundbedarf an Nahrungsmitteln nicht decken.

Laut Flückiger begrüßt die radikal-islamische Regierung in Kabul die Rückkehr der humanitären Hilfe der Schweiz. „Auch die Taliban wissen um die prekäre Lage im Land, für welche sie selbst mitverantwortlich sind.“ Mit ihnen werde man sich jetzt arrangieren müssen, so Flückiger zu SRF. „Wenn es der humanitären Sache dient, müssen wir mit allen sprechen und wir müssen mit allen zusammenarbeiten.“ Er betonte jedoch: „Wir beschränken die Kommunikation mit den Taliban auf das Notwendige und fokussieren uns auf humanitäre Aspekte, aber wir machen keine Deals mit den Taliban.“

Martin Hongler, Vizepräsident der Schweizer Afghanistanhilfe, die seit Jahrzehnten mit privaten Spenden Projekte in Afghanistan realisiert, begrüßt die Rückkehr. „Die Situation für die Bevölkerung ist desolat, wir dürfen sie nicht allein lassen“, sagt Hongler auf Anfrage von „welt-sichten“. Man dürfe nicht darauf warten, dass die Taliban mit dem Westen verhandelten: „Das wird so schnell nicht passieren.“ Darunter leide die Zivilbevölkerung, die sich ihre Regierung nicht ausgesucht hat. 

Hongler räumt ein, man sei für Projekte „teilweise gezwungen, mit den Taliban zusammenzuarbeiten“; wenn man den Menschen helfen wolle, gebe es momentan „keinen Weg daran vorbei“. Als Konsequenz hat die Afghanistanhilfe etwa aufgehört, in den Bau von Mädchenschulen zu investieren, dafür aber Bibliotheken errichten lassen, damit mehr Bücher zu Hause gelesen werden können. Bei Projekten der Gesundheitsversorgung und der Nothilfe spüre man derzeit keine Einschränkungen. Laut Hongler arbeiten in den Gesundheitszentren weiterhin Frauen, teilweise auch mit männlichen Angestellten zusammen. Das gleiche gelte für lokale Hilfsorganisationen, wobei es dort eine Grauzone sei.Aber Afghaninnen sind inzwischen geübt darin, heikle Situationen zu umgehen.“

Alliance Sud, der Zusammenschluss von sechs Schweizer Hilfswerken, findet die Präsenz der Deza vor Ort ebenfalls wichtig. In einer Mitteilung betont sie jedoch, humanitäre Hilfe könne eine funktionierende Wirtschaft nicht ersetzen. Sie fordert deshalb eine Auszahlung der vom Fund for the Afghan People (Afghan Fund) verwalteten Gelder an die Afghanische Zentralbank (DAB). Der Fonds verwaltet ausländische Währungsreserven der DAB, die bei der Machtübernahme der Taliban im August 2021 eingefroren wurden. 

Der größte Teil des Geldes, knapp sieben Milliarden US-Dollar, lagerte damals in den USA; die US-Regierung unter Präsident Joe Biden veranlasste, die Hälfte davon in die Schweiz zu transferieren. In Genf wurde daraufhin die Stiftung Afghan Fund gegründet, bei der die 3,5 Milliarden US-Dollar hinterlegt sind. Laut Alliance Sud sollte das Geld nun ausgezahlt werden, damit die afghanische Bevölkerung „nicht mehrfach abgestraft wird: einerseits durch ein repressives Regime und Sanktionen und andererseits durch die Ächtung der internationalen Gemeinschaft“.

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