Warum wird im Südsudan die Wahl erneut verschoben?

Kurz erklärt
Eigentlich hätte im Südsudan im Dezember gewählt werden sollen. Doch die Wahlen wurden erneut verschoben. Was die Gründe dafür sind, erklärt Marina Peter, Vorsitzende des Sudan und Südsudan Forum e.V.

Marina Peter ist Vorsitzende des Sudan und Südsudan Forum e.V.

Im Südsudan sind die für Dezember geplanten Wahlen um zwei Jahre verschoben worden. Wieso? 
Die meisten Südsudanesinnen und -sudanesen und auch Beobachter haben damit gerechnet, dass die Wahlen auf keinen Fall stattfinden würden. Der Hauptgrund ist, dass sich nach dem Friedensabkommen von 2018 eine aufgeblähte Regierung formiert hat. Es gibt vier Vizepräsidenten, eine Vizepräsidentin und mittlerweile 550 ernannte Parlamentsmitglieder. Im Südsudan herrscht eine Clique von korrupten Kleptokraten, die ihre Macht nicht freiwillig abgeben werden. 

Gibt es auch, wie die Regierung sagt, nachvollziehbare technische Hindernisse für Wahlen? 
Nein. Nach dem Friedensabkommen hätte schon 2022 gewählt werden müssen. Die letzten Wahlen im Südsudan haben 2010 stattgefunden, als der Südsudan noch ein teilautonomer Bestandteil des Sudan war. Seit der Unabhängigkeit 2011 sind Wahlen jetzt zum vierten Mal verschoben worden, der Südsudan hatte also immer eine nicht legitimierte Regierung. 

Und die hat nie ernsthaft versucht, Wahlen möglich zu machen? 
Richtig. Die Umsetzung des Friedensabkommens von 2018 ist weit hinter dem Zeitplan. So hat das Beobachtungsgremium für die Umsetzung des Abkommens immer wieder darauf gedrungen, die vorgesehene neue Verfassung auszuarbeiten – aber sie ist noch nicht verabschiedet. Auch die Wählerregistrierung ist weit im Rückstand. Und die dominierende Partei SPLM hat als einzige Zugang zu den Staatsmedien. 

Teilen sich nicht beide Hauptgegner in der Regierung die Macht? 
Ja, Salva Kiir von der SPLM ist Präsident ist und Riek Machar ist der erste Vizepräsident. Aber nach unseren Informationen reden sie nicht einmal miteinander.

Und fehlt ihnen auch wegen des Krieges im Sudan das Geld aus dem Ölexport, das sie an ihre Klientel verteilen können?
Teilweise. Der Südsudan exportiert Öl durch den Sudan, und in der Pipeline war ein Leck – warum, ist nicht klar, vielleicht einfach wegen Wartungsmangel. Der Ölexport stockte und der Regierung in Juba ging zeitweise das Geld aus. Die Regierung hat seit über einem Jahr die Gehälter von Ärzten, Polizisten und Beamten nicht bezahlt. Das führt natürlich zu mehr Konflikten und Korruption. Aber das Leck ist repariert, und der Südsudan hat jetzt mit beiden Kriegsparteien im Sudan, also der Armee und der RSF, ein Abkommen geschlossen, dass sie die Pipeline schützen. Das Geld, das noch reinkommt – auch aus dem illegalen Goldexport –, reicht immer noch, damit die Politiker ihre jeweilige Klientel bedienen.

Ist das Land ausreichend befriedet oder würden Wahlen das Risiko bedeuten, dass der Bürgerkrieg neu ausbricht? 
Das könnte passieren. Auch Südsudanesen sagen, vielleicht sei mit der Verschiebung der Ausbruch neuer Konflikte verhindert worden. Viele hatten Vorkehrungen getroffen, zum Beispiel ihre Familien zur Zeit der Wahlen aus dem Land zu bringen. Allerdings gibt es ohnehin in verschiedenen Landesteilen Kämpfe – nicht unbedingt zwischen den zwei Hauptgegnern, einige bewaffnete Gruppen haben das Friedensabkommen noch immer nicht unterzeichnet. Aber manche im Südsudan sagen: Wahlen sind riskant und würden keine neuen Leute an die Regierung bringen, aber danach hätten wir wenigstens Abgeordnete im Parlament, die uns vertreten. Bisher sind alle Parlamentsmitglieder handverlesen. In ihren Wahlkreisen sieht man sie nie.

Sind denn baldige Wahlen im Südsudan überhaupt eine gute Idee? 
Da war ich selbst lange unschlüssig. Viele, gerade im Südsudan, raten zu Wahlen in mehreren Schritten: zuerst die lokalen Gremien wählen lassen, später die Regierungen der Teilstaaten und erst danach Wahlen auf nationaler Ebene. 

Das Gespräch führte Bernd Ludermann.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2024: Wo Macht sich kaufen lässt
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