Muslimische Spender im Blick

Zwei IOM-Leute sitzen bei einer Frau mit Kind.
picture alliance/dpa/Anas Alkharboutli
Vertreter der Internationalen Organisation für Migration (IOM) besuchen im Februar 2024 eine Familie im Gouvernement Idlib. Syrien gehört zu den vier Projektländern des neu gegründeten Islamischen Fonds für Philantrophie (IPF).
Flüchtlingshilfe
Die Internationale Organisation für Migration hat einen mit der Scharia konformen Spendenfonds gegründet. In den können jetzt Muslime in aller Welt ihre religiösen Pflichtalmosen einzahlen.

Die weltweiten Flüchtlingszahlen steigen, entsprechend wächst der Bedarf an humanitärer Hilfe und damit der Druck auf Hilfsorganisationen, neue Geldgeber zu finden. Die Internationale Organisation für Migration (IOM), die unter dem Dach der Vereinten Nationen arbeitet, nimmt insbesondere muslimische Spenderinnen und Spender in den Blick und hat deshalb im Februar den Islamic Philanthropy Fund (IPF) gegründet. Dieser muss nach den Regeln der Scharia arbeiten, dem islamischen Recht, damit Muslime ihre religiösen Pflichtalmosen dorthin spenden können. 

Das Almosengebot ist eine der fünf Säulen des Islam, nach denen ein frommer Muslim sein Leben ausrichten soll. Alle Muslime sind angehalten, regelmäßig einen angemessenen Teil ihres Vermögens an Arme und Bedürftige zu geben, was als Zakat bezeichnet wird. Darüber hinaus sieht der Koran zusätzliche freiwillige Spenden vor, Sadaqah genannt. Wer Zakat oder Sadaqah verwaltet, muss garantieren, dass sie ohne Abzüge an Menschen in Not weitergegeben und mit dem Geld keine Zinsen erwirtschaftet werden. So sieht es die Scharia vor. 

Zinsfreies Konto, islamische Bank

Bereits vor fünf Jahren hatte die Islamische Vereinigung für Wirtschaftsforschung Iktisad geprüft, ob die Satzungsziele der IOM mit der Scharia kompatibel sind, und mittels eines islamischen Rechtsgutachtens (Fatwa) grünes Licht für die Gründung einer islamischen Stiftung unter dem Dach der IOM gegeben. Seit Februar 2025 können nun Muslime weltweit ihre religiöse Pflicht mit einer Spende an den IPF erfüllen. Die Gelder fließen auf ein zinsfreies Konto bei einer islamischen Bank in New York.

„Für das erste Jahr gehen wir intern von einem Spendenvolumen von 20 bis 30 Millionen US-Dollar aus“, sagt Ashraf Al Nour, der Leiter des IOM-Regionalbüros in Saudi-Arabien. Man wolle klein anfangen. Deswegen habe der IPF fürs Erste nur vier Projektländer im Portfolio: Syrien, Sudan, Somalia und Jemen. Dass dies alles mehrheitlich muslimische Länder sind, dürfe nicht als Ausdruck einer Exklusivität verstanden werden, sagt Al Nour. „Im Islam gibt es ein Diskriminierungsverbot. Keiner darf aufgrund seiner Religion benachteiligt werden.“ Projekte in anderen Ländern mit vielen Flüchtlingen wie zum Beispiel der Demokratischen Republik Kongo könnten jederzeit dazukommen. 

Bei der Spendenwerbung konzentriert sich der IPF vor allem auf die 57 mehrheitlich muslimischen Länder der Welt. Die bisherige Resonanz ist nach Aussage von Al Nour gut. Beim ersten Global Donor Forum des IPF vor wenigen Wochen, für das islamische Wohltätigkeitsorganisationen, die in ihren Ländern Zakat und Sadaqah sammeln, in Istanbul zusammengekommen waren, wurden bereits zehn Millionen US-Dollar für die Flüchtlingsarbeit der IOM zugesagt. 

Großes Interesse von Einzelspendern

Der IPF will aber auch Einzelspender direkt ansprechen, die die internationale Flüchtlingsarbeit unterstützen und so auf eine der weltweiten Krisen reagieren wollen. Damit scheint der Fonds einen Nerv zu treffen. Denn gleich nach dem Start hätten sie viele interessierte Rückmeldungen aus Großbritannien und den USA bekommen, wo große muslimische Minderheiten leben. „Mit so einem großen Interesse von Einzelspendern hatten wir nicht gerechnet“, sagt Al Nour. 

Es mag verwundern, dass jetzt unter dem Dach der UN, für die eigentlich der Grundsatz der religiösen Neutralität gilt, eine Organisation nur auf eine bestimmte religiöse Spendergruppe fokussiert. Neu ist das allerdings nicht. Bereits 2016 beim ersten Humanitarian Summit in Istanbul  verabschiedeten die UN eine Empfehlung, dass aufgrund der zunehmenden humanitären Not weltweit auch ungewöhnliche Wege beim Fundraising eingeschlagen und gezielt mit glaubensbasierten Akteuren zusammengearbeitet werden könne. 2021 riefen daraufhin UNICEF und die Islamic Development Bank Group den Global Muslim Philanthropy Fund for Children ins Leben. 2022 folgte der Global Islamic Fund for Refugees, der unter dem Dach des UNHCR angesiedelt ist.

Dass es keine vergleichbaren Fonds für Christen, Hindus oder andere Religionen gibt, hat Gründe in diesen Religionen und darin, welche Rolle Almosen und Mildtätigkeit im jeweiligen Glaubenssystem spielen. Bei den Christen fließen Spendengelder von Kirchen und Einzelspendern beispielsweise über internationale Hilfsorganisationen wie ACT Alliance, Brot für die Welt oder Caritas International in Projekte weltweit. „Vor Ort arbeiten wir mit diesen Organisationen Hand in Hand“, sagt Al Nour von der IOM. 

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