Der Präsident und seine Lieblingskirchen

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William Ruto, der Präsident Kenias, hält im September 2022 - kurz nach seiner Wahl - eine Rede vor seiner Residenz.
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William Ruto, der Präsident Kenias, hält im September 2022 - kurz nach seiner Wahl - eine Rede. Im Hintergrund ist seine Residenz zu sehen. Auf dem Gelände dieser Residenz will Ruto nun eine Megakirche bauen lassen - und erntet dafür viel Kritik von Kirchenführern.
Kenia
Die Politik von Präsident William Ruto spaltet in Kenia die Kirchen: Führer der verfassten Kirchen stehen hinter der jungen Protestbewegung, evangelikale und pentekostale Geistliche dagegen offen auf Rutos Seite. Auch beim Bau einer Riesenkirche auf dem Gelände der Staatsresidenz.

William Ruto hat nichts gegen Kirche. Im Gegenteil: Der bekennende evangelikale Christ, der sich gerne mit „Bruder in Christus“ ansprechen lässt, sammelt Spenden für bestimmte Kirchen und zeigt sich gerne mit Männern im lila Hemd. In der katholischen, anglikanischen und protestantischen Kirche ist das die Bischofsfarbe; nicht jeder darf sie in diesen verfassten Kirchen tragen. In den evangelikalen und pentekostalen Freikirchen dagegen gibt es keine großen Vorschriften für die Amtskleidung. Im Zweifelsfall kann jeder Pastor ein solches Hemd anziehen und sich Bischof nennen, auch wenn er nur einer einzigen Gemeinde vorsteht. 

William Ruto kommt dieser freikirchliche Trend entgegen. Er zeigt sich mit Bischöfen der verfassten Kirchen, die von ihm gerade ein Ende der Polizeigewalt gegenüber friedlichen Demonstranten eingefordert haben, und ebenso mit evangelikalen Kirchenführern, die er mit großzügigen Spenden unterstützt und die noch nie die Korruption, Vetternwirtschaft und ethnische Zergliederung des Landes unter seiner Regierung angesprochen haben. „Wie soll man da noch unterscheiden, für was Kirche eigentlich steht!?“, klagt der anglikanische Bischof David Kodia. „Das untergräbt unsere Glaubwürdigkeit als Kirche insgesamt.“ 

"Kirchen haben sich vom Präsidenten kaufen lassen"

Kodia gehört zu den kritischen Stimmen. Immer wieder hat er in den vergangenen Wochen öffentlich gefordert, dass die tödlichen Schüsse auf Demonstranten nicht straffrei bleiben dürfen. Nach Angaben der Nationalen Menschenrechtskommission in Kenia sind bei Protesten gegen die Regierung seit Juni letzten Jahres 115 Menschen durch Schüsse von Polizisten getötet und Hunderte verletzt worden. 

„Die evangelikalen und pentekostalen Kirchen haben sich vom Präsidenten mit Großspenden kaufen lassen. Und jetzt schweigen sie“, sagt Kodia im Interview mit welt-sichten. Diese Spaltungspolitik sei in Kenia nichts Neues. Früher habe der Nationale Kirchenrat von Kenia (NCCK) einen Großteil der Christen in Kenia vertreten und konnte geeint und mit starker Stimme gegenüber der Politik auftreten, erklärt Kodia. Doch bereits Daniel arap Moi habe während seiner Präsidentschaft von 1978 bis 2002 die Abspaltung der evangelikalen und pentekostalen Freikirchen vom NCCK betrieben. Mittlerweile seien diese Kirchen besonders in den Städten so stark gewachsen, dass sie die Mehrheit der Christen stellten, sagt Kodia. „Sie sind eine Hochburg unter den Christen für die Unterstützung für Ruto.“ 

Kritik gegen Bau einer Megakirche auf Gelände der Staatsresidenz

Auch über die jüngsten Pläne des Präsidenten sind die Kirchen uneinig. Ruto hat angekündigt, er wolle auf dem Gelände der Staatsresidenz eine Mega-Kirche mit Platz für 8000 Menschen bauen. Auf 1,2 Milliarden Kenia-Schilling (8 Millionen Euro) werden die Baukosten geschätzt. Angesichts der prekären Situation eines Großteils der Kenianer und eines maroden Gesundheitssystems ist dies in den Augen vieler ein Skandal. „Wessen Kirche wird das sein?“, fragt David Kodia. „Wer wird sie leiten? Wer wird dort predigen? Und vor allem, woher kommt das Geld für diesen Bau?“ Ruto hat erklärt, dass er die Kirche für die rund tausend Angestellten in der Residenz bauen und sie aus seinem Privatvermögen bezahlen wolle. Seit langem fordern Kritiker des Präsidenten, dass Ruto transparent darlegen solle, wie er zu einem der reichsten Männer des Landes werden konnte.

Auch von katholischer Seite kommt laute Kritik an der Mega-Kirche. „Die Staatsresidenz gehört nicht dem Präsidenten, sie gehört dem Volk“, sagte Joachim Omolo Ouko, katholischer Priester im Erzbistum Kisumu. „Die Kenianer stellen sie ihm zur Verfügung.“ Ruto könne auf dem Grundstück nicht einfach machen, was er wolle, ohne die Erlaubnis des Parlaments einzuholen. 

Und der katholische Erzbischof von Nairobi, Philip Anyolo, fordert dringende Aufklärung über die Funktion des Gebäudes und zu welcher Kirche es gehören soll. Es dürfe nicht sein, so der Erzbischof, dass damit eine christliche Konfession den anderen gegenüber bevorzugt werde. Wenn Ruto eine Kirche bauen wolle, solle er dies außerhalb der Staatsresidenz tun. 

"Kenia gehört nicht nur den Christen"

Ähnlich kritisch sehen muslimische Würdenträger das Bauprojekt. Muslime sind mit etwa 11 Prozent eine große Minderheit gegenüber den 85 Prozent Christen. Wenn jetzt eine Kirche in der Staatsresidenz gebaut werde, könne ein Muslim, der theoretisch auch zum Staatspräsidenten gewählt werden könne, dort dann auch eine Moschee bauen, fragt Sheikh Abdallah Kheir, Imam, Menschenrechtsvertreter und Universitätsprofessor für Philosophie und Religionswissenschaft in Nairobi. Und Sheikh Abu Qatada, Vorsitzender einer in Mombasa ansässigen Gruppe von Religionsführern, fordert in den sozialen Medien Ruto auf, neben der Kirche in der Staatsresidenz auch eine Moschee zu bauen. „Die Staatsresidenz ist ein Ort, der für alle Glaubensrichtungen offen sein muss.“

Harrison Mumia, Präsident der Atheistischen Gesellschaft in Kenia, forderte ebenfalls den Stopp des Bauprojekts und beschuldigte Ruto, den christlichen Nationalismus zu fördern. „Wir möchten den Präsidenten daran erinnern, dass Kenia nicht nur den Christen gehört“, so Mumia. „Im Kern gefährdet der Bau einer Kirche in der Residenz das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat.“

Nur auf evangelikaler Seite sieht man in dem Kirchenbau kein Problem. Idris Duba, Pastor der Kenya Assemblies of God in Nairobi, verweist auf eine kleine, alte Kapelle, die es bereits in der Residenz gibt. Ruto wolle sie ja nur abreißen und etwas Besseres bauen. „Ich habe kein Problem damit.“ Der Präsident habe schließlich versichert, dass keine öffentlichen Mittel dafür verwendet würden.

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