Wachsam bleiben für den Frieden

Herausgeberkolumne
Selig sind die Friedfertigen, heißt es in der Bergpredigt. Davon sind wir in Teilen der Weltgemeinschaft aktuell weit entfernt. Aus der Vergangenheit und Gegenwart Ruandas lassen sich dazu einige Lehren ziehen.

Andreas Frick ist Hauptgeschäftsführer von Misereor.

Die Menschen in Ruanda bezeichnen ihre Heimat stolz als das Land der 1000 Berge und Hügel. Auch mich hat die Landschaft bei einem Projektbesuch vor ein paar Monaten tief beeindruckt. Noch mehr beeindruckt haben mich die Menschen selbst: Unter teils schwierigsten Umständen übernehmen sie Verantwortung und finden Wege der Versöhnung. Denn auch 30 Jahre nach dem Völkermord ringt das Land mit den Folgen der Gräuel: Innerhalb von nicht einmal 100 Tagen wurden über 800.000 Menschen ermordet und verstümmelt – vor allem Angehörige der Tutsi-Minderheit, aber auch Hutu. Die Landschaft birgt noch heute vielerorten die Gebeine Ermordeter und schwerste Verbrechen – oft über viele Jahre. Wo sind die Menschen, die diese Zeichen wahrnehmen, ernst nehmen, aktiv werden? Der jüngste Weltfriedensindex (GPI 2025) zeigt, dass viele Schlüsselindikatoren, die großen Konflikten typischerweise vorausgehen, aktuell stärker auftreten als jemals zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Ziel eines globalen Friedens scheint in weite Ferne gerückt.

Wachsam sein, genau hinsehen und hinhören ist das Gebot der Stunde. Nicht zuletzt ist das eine Lehre, die aus den Ereignissen in Ruanda gezogen werden sollte. So verweist die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) auf einen Bericht von 1996, der deutlich macht, „dass das Versagen der Weltgemeinschaft bei der Verhinderung des Völkermords in Ruanda nicht auf fehlende Informationen zurückzuführen war, sondern im Wesentlichen auf Nachlässigkeit.“ Denn Warnungen gab es. Auch darf der Genozid nicht als isoliertes, plötzliches Ereignis verstanden werden. Koloniale Prägungen haben wesentlich dazu beigetragen, dass sich gesellschaftliche Spannungen über Jahrzehnte hinweg aufbauen und schließlich in einem beispiellosen Ausbruch von Gewalt entladen konnten. 

Traumabewältigung ist Friedensarbeit

Unsere Projektpartner in Ruanda wissen um die Wichtigkeit des Dialogs. Erlebtes muss „besprechbar“ werden. Alles, was dazu beiträgt, Benachteiligung aufzuheben und Stabilität zu schaffen, ist letztlich Friedensarbeit: Trauma zu bewältigen gehört ebenso dazu wie Bildung und Ernährungsverbesserung. Genau das passiert in Ruanda bei unseren Partnerorganisationen. Gleichzeitig darf bei aller Anerkennung dieser Fortschritte nicht ausgeblendet werden, dass sie in einem politischen Umfeld stattfinden, das autoritäre Züge trägt. Kritische Stimmen, unabhängige Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen werden teilweise massiv eingeschränkt. 

Es schmerzt, dass Misereor wegen der aktuellen Mittelkürzungen für Entwicklungszusammenarbeit auch für Projekte in Ruanda keine verbindlichen Aussagen zur weiteren Finanzierung in den nächsten Jahren treffen kann, etwa in den Bereichen berufliche Bildung, Hochschulentwicklung, nachhaltige Energie, ländliche Entwicklung sowie Ernährungssicherung. Viele dieser Programme leisten einen wichtigen Beitrag zur sozialen Stabilität, zur Armutsbekämpfung und zur Friedensförderung. Die Kürzungen gefährden somit nicht nur einzelne Vorhaben, sondern auch die langfristige Wirksamkeit und Verlässlichkeit internationaler Partnerschaften. 

Besorgniserregend ist auch die Situation im benachbarten Ostkongo, wo der Krieg um Bodenschätze und aufgrund ethnischer Spannungen immer weiter eskaliert. Beobachter fühlen sich an Dynamiken aus den 1990er und 2000er Jahren erinnert. Sie warnen davor, dass sich der Krieg auf die gesamte Region ausweiten könnte. Dabei ist Ruanda nicht nur von der Instabilität im Nachbarland betroffen, sondern es spielt selbst eine umstrittene Rolle in der Region. UN-Fachleute werfen der ruandischen Regierung vor, Rebellengruppen wie M23 im Ostkongo zu unterstützen und damit zur Eskalation beizutragen. Wird sich die Geschichte wiederholen oder wird diesmal hingehört, hingesehen und rechtzeitig der Dialog gesucht, auch mit Blick auf die Verantwortung aller beteiligten Akteure?   

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erschienen in Ausgabe 5 / 2025: Gelebte Vielfalt
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