Kein Rezept gegen die Armut

Die Zahl der ärmsten Länder soll bis 2020 von 48 auf 24 halbiert werden. Das hat eine UN-Konferenz in Istanbul beschlossen. Doch wie das gelingen soll, blieb vage. Auch das deutsche Entwicklungsministerium (BMZ) kam über wohlfeile Botschaften nicht hinaus.

Bei einer Vorkonferenz Ende März in Berlin hatte BMZ-Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz den Umgang mit den ärmsten Ländern (Least Developed Countries, LDC) als „Gretchenfrage“ der internationalen Entwicklungszusammenarbeit bezeichnet. Wohl wahr: In diesen 48 Staaten leben rund 880 Millionen Menschen, die Hälfte von ihnen in absoluter Armut. 33 liegen in Afrika, 14 im asiatisch-pazifischen Raum und eines in Lateinamerika (Haiti).

Autor

Johannes Schradi

war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.

Es herrscht Konsens darüber, dass ihnen besonders geholfen werden sollte. Doch die Bestandsaufnahme seit der letzten großen LDC-Konferenz 2001 fällt ernüchternd aus: Nur zwei Länder, die Kapverden und die Malediven, konnten sich seither aus der Gruppe der ärmsten Länder hocharbeiten – obwohl die Geberländer im selben Zeitraum ihre Hilfe für die LDC nahezu verdreifacht haben: von 14 auf 41 Milliarden Dollar jährlich. Deutschland hat seine Mittel in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.

Zum Auftakt der Istanbul-Konferenz kündigte Beerfeltz „eigene Akzente“ an. Während das dort verabschiedete Aktionsprogramm den Aufbau von Infrastruktur und Technologie, von Landwirtschaft und Versorgungssicherheit sowie bessere Bildung für vordringlich erklärt und eine „globale Partnerschaft“ einfordert, hält man sich im BMZ zugute, auch die „zentrale Rolle des Privatsektors“ im Abschlussdokument untergebracht zu haben. Beerfeltz: Ein besseres Geschäfts- und Investitionsklima und der Zugang zu Finanzdienstleistungen seien nun mal Kernpunkte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Schlüssel aller Entwicklung. Darüber hinaus müsse die Eigenverantwortung der LDCs gestärkt, gute Regierungsführung befördert und die Wirksamkeit der Hilfe gesteigert werden.

Die selbe Medizin wie für alle anderen Entwicklungsländer

Es ist die selbe Medizin, die das BMZ derzeit auch allen anderen Entwicklungsländern verordnet, und kein Programm, das den speziellen Nöten der LDCs Rechnung trüge. „Die Bundesregierung hat keine überzeugende Strategie für den Umgang mit den ärmsten Ländern“, klagten denn auch die grünen Entwicklungspolitiker Ute Koczy und Thilo Hoppe – und rechneten vor: Nur 30 Prozent der deutschen Entwicklungsgelder gingen an die LDCs, der Durchschnitt anderer Geberländer liege bei 40 Prozent. Eine parlamentarische Anfrage der Grünen (Drucksache 17/5600) legt der Bundesregierung nahe, die Mittel aufzustocken und sich am Beispiel Großbritanniens zu orientieren, Länder mit extremer Armut und fragile Staaten künftig besonders zu fördern.

Von einer geschlossenen Geberstrategie kann somit keine Rede sein. Ein Bericht der UN-Organisation Unctad zur Lage der LDCs empfahl unlängst, das Augenmerk auf eine „neue internationale Entwicklungsarchitektur“ zugunsten dieser Länder zu richten. Dazu gehörten etwa zoll- und quotenfreier Marktzugang sowie mehr Handelshilfe (Aid for Trade). Ein neues Afrika-Papier der SPD-Bundesstagsfraktion streicht derweil den Gedanken des Pro-Poor Growth heraus, sprich: Die Armen müssten überproportional vom Wirtschaftswachstum profitieren. Was das speziell für die Zusammenarbeit mit den LDCs heißen sollte, verrät indessen auch dieses Papier nicht.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2011: Wir konsumieren uns zu Tode
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