Positive Bilanz mit Mikrokrediten

Die Genossenschaft Oikocredit will sich stärker in Afrika engagieren
Die Genossenschaft Oikocredit will sich stärker in Afrika engagieren

(11.3.2013) Vorfälle in Indien haben Mikrokredite als Mittel zur Armutsbekämpfung in Verruf gebracht. Die internationale Genossenschaft Oikocredit hält dennoch an diesem Instrument fest und finanziert bevorzugt Mikrofinanzinstitutionen in ländlichen Regionen armer Länder. Dort sei „der Investitionsbedarf am größten, aber auch die höchste soziale Wirkung zu erwarten“, erklärt Florian Grohs, Direktor für Darlehen und Kapitalbeteiligungen bei Oikocredit International. Bei der Jahrespressekonferenz in Frankfurt am Main zog er eine positive Bilanz des vergangenen Jahres: Mit 234 Millionen Euro, elf Prozent mehr als 2011, habe die Genossenschaft die bislang höchste Finanzierungssumme bewilligt.

Zum Beispiel Mali: Mit Beginn der politischen Krise hätten sich viele Institutionen, auch die Mikrofinanz, aus dem westafrikanischen Land zurückgezogen, sagt Grohs. Oikocredit aber wolle sich dort weiterhin mit einem eigenen Büro und Projektpartnerschaften engagieren: „Wir investieren schwerpunktmäßig in die Landwirtschaft, und in Mali hat es ein gutes Erntejahr gegeben.“

Derzeit unterhalte die Genossenschaft Büros in 10 afrikanischen Ländern, weitere sollen in den folgenden Jahren hinzukommen. „2012 ist zum Beispiel Ruanda dazugekommen, in diesem Jahr eröffnen wir in Kamerun“, erklärt Grohs. Weltweit sei Oikocredit in fast 80 Ländern vertreten, hauptsächlich in  Lateinamerika, und arbeite mit mehr als 850 Partnern zusammen, 583 davon aus der Mikrofinanz – einer Branche, die um ihren Ruf kämpft.

Im Herbst 2010 wurde aus dem südindischen Bundesstaat Andhra Pradesh von Überschuldungen und Selbstmorden von Kreditnehmern berichtet sowie von Kreditgebern, die ihrerseits bei Banken hoch verschuldet waren. Mittlerweile dürfen dort keine Mikrokredite mehr vergeben werden. Oikocredit habe insgesamt zehn Millionen Euro abschreiben müssen, da viele Kreditnehmer in Andhra Pradesh ihre Schulden nicht zurückzahlen konnten. Diese Abschreibungen seien aber durch Rücklagen weitgehend ausgeglichen worden. „In Indien hat sich die Situation verbessert“, berichtete Grohs, „es wird stärker reguliert, um Überschuldung zu vermeiden.“ Jeder neue Kreditnehmer werde an zentrale Kreditbüros gemeldet, kein Kunde dürfe mehr als zwei Kredite aufnehmen, auch die Höhe der Kredite sei begrenzt.

Mikroversicherungen sind ein noch ausbaufähiger Sektor

Über die Wirksamkeit von Mikrokrediten wird gestritten. Kritiker werfen dem System vor, die strukturellen Ursachen von Armut nur zu verdecken. Bisher fehlten Langzeitstudien, die zeigen, wie sich Mikrokredite langfristig auf die Situation der Menschen auswirken. Doch Oikocredit untersuche „seit drei, vier Jahren nach dem sogenannten ,Progress out of Poverty‘-Index die soziale Wirksamkeit von Projekten“, sagt seine Pressesprecherin Ulrike Haug. Damit werde ermittelt, ob die Kreditnehmer den Sprung über die nationale Armutsschwelle schaffen. „Es gibt Mikrofinanzstudien, die zeigen, dass es sehr lange dauert, bis Armut wirklich überwunden ist“, ergänzt Grohs: „Die Tendenz ist zwar steigend, aber zugegebenermaßen nur schwach steigend.“

Ein „beeindruckendes“ Beispiel für gelungene Entwicklung findet Grohs in Ägypten. Oikocredit habe der dortigen Sekem-Gruppe, die Lebensmittel, pflanzliche Arznei und Textilien aus ökologischem Anbau produziert, im vergangenen Jahr einen Kredit über sieben Millionen US-Dollar gewährt. Damit würden unter anderem Teeverpackungsmaschinen angeschafft, 250 neue Arbeitsplätze entstünden. Zehn Prozent des Profits von Sekem gingen in eine eigene Stiftung, mit der Kindergärten, Schulen, eine Universität, ein medizinisches Versorgungszentrum sowie ein Theater finanziert würden.

Auf den Philippinen wiederum unterstütze Oikocredit die Organisation CARD, die unter anderem Mikroversicherungen anbiete – ein noch ausbaufähiger Sektor. „In bestimmten Regionen gibt es häufig Taifune, bei denen die Familien oft alles verlieren“, sagt Grohs. „Ein Mikrokredit hilft ihnen dann nicht, im Gegenteil, er stürzt sie möglicherweise noch weiter in die Schulden.“ Mit Mikroversicherungen seien sie vor Naturkatastrophen besser geschützt: CARD habe nach Taifunen bereits an 100.000 Menschen insgesamt 37 Millionen Dollar ausgezahlt.

In Deutschland verzeichne Oikocredit eine wachsende Zahl von Anlegern, sagt Matthias Lehnert, der Geschäftsführer von Oikocredit Deutschland. Fast jeder Zweite der insgesamt 48.000 Anleger komme mittlerweile aus der Bundesrepublik – und erhalte eine „stabile Rendite von zwei Prozent“. (osk)

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