Ein Dorf sagt Nein

Der Autor, dessen Metier eigentlich das Filmemachen ist, dokumentiert, wie ein Tiroler Bergdorf gegen Apfelmonokulturen und Pestizide kämpft. Der Ausgang dieser spannenden Geschichte ist noch offen.

Südtirol ist von Apfelmonokulturen überzogen. Die Früchte gedeihen dort gut und werden im großen Stil exportiert. Allerdings haben die in Reih und Glied stehenden Bäume nicht nur das Landschaftsbild verändert, sondern auch mit der traditionellen bäuerlichen Kultur aufgeräumt. Die Stämme sind so dünn gezüchtet, dass sie die Krone nicht mehr tragen können. Daher muss jedes Bäumchen von einer Betonsäule gestützt werden. Gegen Schädlinge und Pilze werden Unmengen an Pestiziden versprüht. Die Artenvielfalt an Pflanzen und Insekten hat in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen, und die Böden werden in wenigen Jahrzehnten unbrauchbar sein.

Auch in die Gemeinde Mals im Vinschgau sollen Apfelplantagen Einzug halten. Der in Südtirol lebende Wiener Dokumentarfilmer Alexander Schiebel erzählt, wie sich die Bewohner gegen die Industrialisierung der Landwirtschaft mit all ihren ökologischen Folgen zur Wehr setzen. Schiebel lässt uns dabei an seinem eigenen Erkenntnisprozess teilhaben. Er schildert, wie er auf Mals aufmerksam wurde und sich selbst Kenntnisse über Agrarindustrie aneignete. Er rekonstruiert Begegnungen mit den Protagonistinnen und Protagonisten des Widerstands, der zunächst aussichtslos scheint. Denn die örtlichen Obstbauern, die auf den profitablen Anbau nicht verzichten wollen, wissen nicht nur die mächtige Lobby des Bauernbundes hinter sich, sondern auch die Südtiroler Landesregierung.

Ähnlich wie in Bayern die CSU regiert dort seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die christlich-soziale Südtiroler Volkspartei (SVP). Sie versucht zunächst, eine Volksabstimmung über den Pestizideinsatz in Mals zu verhindern. Dann torpedieren die SVP-Gemeinderäte das Plebiszit, dessen Ergebnis bei 70-prozentiger Wahlbeteiligung der klare Wunsch nach einem Verbot von Pestiziden ist. Erst nach der folgenden Gemeindewahl, bei der die Verhinderer abgewählt wurden, wird eine entsprechende Verordnung erlassen. Daraufhin beschließt der Landtag in Bozen ein Landesgesetz, das den Bürgermeistern die Kompetenz entzieht, Pflanzenschutzmittel zu regulieren.

Ohnmächtige Wut erfasst nicht nur die Bürger von Mals, sondern auch den Filmemacher, der vom Beobachter zum Protagonisten wird. Er stellt Teile seines noch unfertigen Films ins Netz und beginnt, Deutschland ins Spiel zu bringen, das nicht nur Markt für die meisten Südtiroler Äpfel, sondern auch wichtigste Quelle des Tourismus ist. Der Autor verliert zwar alle Aufträge des Südtirol Marketing, findet aber bei deutschen Vereinen für Ökologie und nachhaltigen Tourismus Unterstützung – und die Kontakte in den Medien, um „Das Wunder von Mals“ im großen Stil publik machen zu können. Das hat den Aktivisten in Mals den Mut gegeben, trotz aller Rückschläge weiterzukämpfen. Das letzte Kapitel dieser Geschichte ist noch nicht geschrieben. Pflichtlektüre für alle, die sich nicht entmutigen lassen wollen.
 

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Vielen Dank für diese Information. Ich hoffe, das Buch bald mal zu lesen! Die Rezension erinnert mich an das Dorf Pozuzo, das nach Peru ausgewanderte Kleinbauern aus Tirol vor rund 150 Jahren in der peruanischen Hoch-Amazonas Region gegründet haben. Das Problem dort sind Mono-Kulturen für die Viehwirtschaft. Aber es gibt positive Ansätze bei der Agro-Forstwirtschaft und der nachhaltigen Aufforstung. Ich habe dort vor über 10 Jahren als Entwicklungshelfer gearbeitet. Infos in Spanisch dazu findet man hier www.zonasdeamortiguamiento.org

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