Ein Patriarch ruft zum Kampf

Es ist ungewöhnlich, dass ein Kirchenoberhaupt schon im Titel seines Buches einen Militäreinsatz fordert. Wer das Buch des chaldäischen Patriarchen Louis Sako liest, versteht, warum er Luftangriffe der Amerikaner gutheißt und sich mehr militärische Unterstützung gegen den Islamischen Staat wünscht.

Auf gut der Hälfte der Seiten erzählt Sako spannend und gut lesbar seine eigene Lebensgeschichte. Sie illustriert, dass Christen im Irak schon seit Jahrzehnten Ungerechtigkeiten und täglichen Sticheleien ausgesetzt sind. Sie sind Ausdruck einer schleichenden Fundamentalisierung von Teilen der muslimischen Bevölkerung, deren vorläufiger Höhepunkt die Bildung des Islamischen Staates (IS) ist.

Diese Entwicklung hat Sako geprägt. „Dennoch vergesse ich nicht, dass Muslime mit Christen weiterhin Tür an Tür lebten “, schreibt er. Und erzählt von muslimischen Freunden aus der Kindheit, an die er sich beim Einmarsch der Dschihadisten in Mosul im Sommer 2014 wenden konnte, damit sie sich für entführte Christen einsetzten. Diese Vielschichtigkeit macht sein Buch interessant. So lässt er seine Leser auch wissen, dass es neben moderaten und radikalisierten Muslimen mittlerweile auch eine Million Atheisten im Irak gibt, die sich aufgrund des IS-Terrors und der vielen Morde im Namen Allahs vom Islam abgewendet haben.

Der Autor zeichnet die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte in groben Zügen nach. So bringt er die Folgen des amerikanischen Einmarsches im Irak auf den Punkt: „Absicht der Amerikaner war es, eine Föderation aus mehreren Regionen zu schaffen, die ethnische sowie religiöse Gruppen trennen sollte. Genau dies aber schuf in den Köpfen der Iraker eine gefährlich sektiererische Mentalität, die es früher nicht gab: Von nun an waren wir nicht mehr Iraker, sondern Sunniten, Schiiten, Kurden, Christen, Jesiden oder Turkmenen.“

Auch auf die Flüchtlingsströme, die im Sommer 2015 Europa erreichten, geht der Patriarch ein. Er gehört zu den Kirchenführern im Nahen Osten, die die Christen seit langem schon mit deutlichen Worten von der Emigration abhalten wollen. Offenbar vergeblich. Er weiß, dass die meisten nicht mehr in den Irak zurückkehren werden. Es mag für westliche Leser schwer nachvollziehbar sein, mit welcher Leichtigkeit er eine Privilegierung christlicher Flüchtlinge fordert. Es stimme ihn nachdenklich, schreibt er, „dass ausgerechnet in vielen Ländern Europas die Christen gegenüber den Muslimen nicht bevorzugt werden. Sie wurden von Muslimen vertrieben und müssen nun die bittere Erfahrung machen, dass selbst die Kirche peinlich auf Political Correctness bedacht ist, die bei den Muslimen nun wirklich keinen Stellenwert hat.“ 

Unabhängig davon, was man von dieser Meinung halten und wie man selbst zu Militäreinsätzen stehen mag: Zumindest zuhören sollte man dem Patriarchen. Er ist keine unwichtige Stimme im Irak.

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