Fakten, Fakten, Fakten

Joni Seager: Der Frauenatlas. Ungleichheit verstehen.164 Infografiken und Karten. Carl Hanser Verlag, München 2020, 208 Seiten, 22 Euro

Die US-amerikanische Geografin Joni Seager belegt mit ihrem Frauenatlas, wie sich die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern weltweit durch sämtliche Bereiche des Lebens zieht. Anschaulich, eindringlich und durchaus auch lösungsorientiert. 

Für das US-Publikum ist Joni Seagers Nachschlagewerk nichts Neues: Die erstmals 1987 publizierte „feministische Neukartierung der Welt“ hat die Professorin für Global Studies an der Bentley Universität Boston nun zum fünften Mal aktualisiert. Auf Deutsch aber liegt der Frauenatlas zum ersten Mal vor. Für die Diskussion über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Welt ist das ein Gewinn. Denn das Werk präsentiert in Statistiken, Infografiken und Karten systematisch Belege für Frauendiskriminierung aus allen Bereichen des Lebens: Von „Heirate deinen Vergewaltiger“-Gesetzen und Körperpolitik über Gesundheit, Arbeit und Bildung über Besitz und Armut bis hin zu  sozialer Vernetzung und politischer Macht. 

Die Autorin betont in ihrer Einleitung, dass sich die Situation der Frauen in der Welt seit Veröffentlichung der ersten Ausgabe 1987 verbessert hat. So gab es erhebliche Fortschritte bei der Ausbildung von Frauen und Mädchen. Auch haben Frauen inzwischen fast überall das Wahlrecht; Einkommensunterschiede und auch sexuelle Übergriffe sind Thema geworden, wo man sie einstmals verschwieg. 

Dass diese Fortschritte bei weitem nicht ausreichen, zeigt dann eine Fülle aussagestarker und oft auch überraschender Grafiken. Beispielsweise beim Thema Kinderehe: Wer hätte gedacht, dass im US-Staat Tennessee zwischen 2000 und 2015 fünf Prozent der frisch verheirateten Ehefrauen 15 Jahre oder jünger waren – drei Mädchen sogar erst zehn? Oder das Thema Toiletten: Lediglich ein Viertel der Weltbevölkerung hat Zugang zu privaten sanitären Einrichtungen. Das setzt vor allem Frauen der Gefahr sexueller Übergriffe aus und führt in armen Gegenden oft dazu, dass Mädchen nicht zur Schule gehen, weil die keine privaten Toiletten hat. „Right to Pee“-Bewegungen setzen sich deshalb unter anderem in Indien für geschützte Toiletten für Frauen ein. Was unter anderem zu Konflikten mit Bewegungen für die Rechte von Homosexuellen und Transgender führt, die für Unisex-Toiletten eintreten, wie die Autorin ausführt.

Wie sich Protest auf Gesetze auswirken kann, belegt ein Beispiel aus dem Libanon. Dort formierte sich 2017 über die sozialen Medien eine Kampagne gegen das so genannte „Vergewaltigungsgesetz“, demzufolge ein Vergewaltiger freigesprochen wurde, wenn er sein Opfer heiratete. Das Gesetz wurde noch im selben Jahr aufgehoben. Von A wie Arbeit bis Z wie Zwangsheirat: Joni Seagers Frauenatlas bietet reichhaltiges Datenmaterial zum Diskutieren, Fordern und Agitieren.

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