Die ugandische Autorin Stella Nyanzi erhebt mit ihrem Gedichtband "Im Mundexil" ihre Stimme gegen die Diktatur in ihrem Heimatland und fasst ihre Zerrissenheit im deutschen Exil in lyrische Worte. So hält sie den Mächtigen in Uganda und auch hiesigen Bürokraten einen Spiegel vor.
Die ugandische Medizinanthropologin Stella Nyanzi schreibt seit längerem über Repression, Machtmissbrauch und Polizeigewalt in ihrer Heimat. Zeilen, die als Majestätsbeleidigung des ugandischen Langzeitherrschers Museveni gedeutet wurden, reichten vor Gericht für Isolationshaft und Folter in einem Hochsicherheitsgefängnis. Sie wurde bereits 2017 erstmals als Regimekritikerin verurteilt und war wiederholt inhaftiert. Die Wissenschaftlerin verlor in der Folge ihre feste Anstellung an der Makerere Universität in der Hauptstadt Kampala. 2021 floh sie außer Landes. Inzwischen ist sie Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms des PEN-Zentrums Deutschland.
Mehrere ihrer 100 Gedichte, die nun in deutscher Übersetzung vorliegen, handeln von ihren traumatischen Erfahrungen. So malträtierten einige Gefängniswärterinnen die schwangere Autorin derart brutal mit Tritten, dass sie eine Fehlgeburt erlitt. Solche Qualen sind für Nyanzi beispielhaft für die Brutalität, der viele Oppositionelle in Haft ausgesetzt sind. Stella Nyanzi zeigt viel Empathie mit Gefangenen und Gefolterten, die noch in Uganda sind, und würdigt in ihrem Gedichtband deren Courage, trotz Bedrohungen und Einschüchterungen gegen Unrecht aufzustehen.
Nyanzi nennt ermordete Homosexuelle beim Namen
Zusätzlich zur direkten Kritik an politischer Willkürherrschaft in ihrer Heimat prangert die ugandische Wissenschaftlerin seit Jahren die dortige Unterdrückung von Frauen und die Homophobie an. Denn auch Minderheiten geraten in Uganda unter Generalverdacht. Insbesondere homosexuelle Handlungen sind seit Mai 2023 strafbar und können mit lebenslanger Freiheitsstrafe belegt werden. Stella Nyanzi nennt ermordete Homosexuelle beim Namen und hält damit die Erinnerung an sie wach. Dabei geht es ihr nicht nur um Einzelfälle, sondern auch um die repressiven Herrschaftsmuster, deren erste Opfer meist bereits marginalisierte Menschen sind.
Nyanzis Gedichte sollten all jene lesen, die meinen, man müsse sich mit der ugandischen Regierung aus afrikapolitischen Gründen gut stellen, weil Uganda zahlreiche Flüchtlinge aus Konfliktgebieten in der DR Kongo und im Südsudan aufnimmt.
Spiel mit der Sprache
Stella Nyanzi, selbst eine Geflüchtete, fasst nicht nur ihre Einsamkeit, ihr Fremdsein, ihre Zerrissenheit zwischen Heimat und Exil sowie die Sorge um ihre Kinder in Worte. Sie kritisiert auch hiesige Behördenwillkür, etwa die entmenschlichende Identifikation über eine Fallnummer anstatt über ihren Namen, wodurch sie als Person verschwindet, und sprachliche Groteske wie „selbst gewähltes Asyl“ für sie als Gefolterte, Verfolgte und mit dem Tod Bedrohte. Zudem befremden die aufmerksame Beobachterin die mit deutschem Dogmatismus ausgetragenen Machtkämpfe in Organisationen von Intellektuellen, die sich für weltoffen halten.
Der Gedichtband „Mundexil“ hat also viele Facetten. Wer allerdings einfache Reime mit korsettartigem Versmaß erwartet, ist hier fehl am Platz. Stella Nyanzi spielt mit Sprache und macht sich sogleich in einem Gedicht über strenge literarische Kategorien lustig. Wer bereit ist, ausgetretene Germanistikpfade zu verlassen, wird hier fündig und 100-fach belohnt.
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