Was die Geretteten erzählen

Dokumentarfilm, Frankreich 2024, Regie: Jean-Baptiste Bonnet, 91 Minuten, Kinostart: 9. Oktober 2025. Verleih: Drop-Out Cinema

Sechs Wochen hat der Regisseur Jean-Baptiste Bonnet das Team des Seenotschiffs Ocean Viking vor der libyschen Küste begleitet und war bei der Bergung von 92 Geflüchteten dabei. Einige von ihnen kommen in seiner Dokumentation „Save Our Souls“ zu Wort.  

Noch immer versuchen Jahr für Jahr Zehntausende Menschen vom afrikanischen Kontinent in die „Festung Europa“ überzusetzen. Viele ertrinken, andere überleben, weil mutige Seenotretter sie rechtzeitig aus maroden Booten bergen. Einen solchen Fall schildert der französische Regisseur und Fotograf Jean-Baptiste Bonnet minutiös in seinem Dokumentarfilm. 

„Save Our Souls“ beginnt unspektakulär, geradezu eintönig. Die Kamera beobachtet, wie das von der Organisation SOS Méditerranée gecharterte Seenotrettungsschiff Ocean Viking ausläuft und über das offene Meer dahingleitet. Einige der rund 30 Besatzungsmitglieder behalten die Monitore im Blick, andere beobachten mit Ferngläsern den Horizont; sie halten in langen ruhigen Kameraeinstellungen nach Flüchtlingsbooten Ausschau. Tagelang tut sich nichts. Als endlich ein mutmaßlich leeres Boot gesichtet wird, drängt ein Schiff der libyschen Küstenwache die Ocean Viking zur Seite und gibt Warnschüsse ab. 

Kurz darauf entdecken die zivilen Seenotretter bei einer Ölbohrplattform ein großes Schlauchboot. Mit zwei Beibooten bergen die erfahrenen Rettungskräfte 92 Migrantinnen und Migranten und bringen sie zum Schiff. Dort erhalten sie Getränke und Essen und werden ärztlich versorgt. Eine Helferin klärt sie auf Arabisch über das europäische Asylsystem auf. 

„Sie wären nie angekommen“

„So wie jetzt läuft es meistens. Sie wären nie angekommen“, sagt ein Seenotretter in die Kamera, als er und seine Kollegen das nun leere Schlauchboot aufschlitzen und unbrauchbar machen. Mit einer Sprühdose markieren sie die Überreste: OV 1. 4. 23 – so können andere Seenotrettungsmissionen oder Küstenwachen das leere Boot zuordnen. Es ist ein Akt der Helferroutine. Erfahrung haben die vielsprachigen Teams auf der Ocean Viking reichlich gesammelt: Seit 2016 haben sie fast 40.000 Menschen in Sicherheit gebracht. 

Der Film verzichtet auf Off-Kommentare, Musik oder andere Mittel der Dramatisierung oder Heroisierung. Er beschränkt sich aufs Beobachten. Diese strenge Gestaltungsweise schafft zunächst Distanz und bremst eine tiefere Anteilnahme. Das ändert sich, als nach 40 Filmminuten die Geflüchteten an Bord steigen. 

Sofort macht ein gestresster Afrikaner seiner Wut über erlittene Misshandlungen Luft. „Die Libyer schlagen alle. Für sie ist Sklaverei etwas völlig Normales.“ Auch andere Geflüchtete erzählen in Gesprächen mit den professionellen Helfern von ihren Schicksalen. Wer in ihre erschöpften Gesichter sieht, kann erahnen, was sie erlitten haben müssen. Und wie erleichtert sie nun sind. Ein Nigerianer sagt: „Ich danke Gott, dass ich lebe, dass ihr mich gerettet habt.“

Geschichten von Folter, Vergewaltigung, Überleben und Tod

Ein Somalier erzählt, dass er mit zehn Landsleuten aufgebrochen sei und als Einziger überlebt habe. Ein anderer berichtet, dass sie in den Gefängnissen im libyschen Zawiya die Geflüchteten folterten, um Geld zu erpressen. „Sie filmen das Blut und die Wunden, damit die Familie bezahlt. Wenn niemand zahlt, bleibt man im Gefängnis.“ Wer keine Angehörigen habe, sterbe. 

Ein einäugiger Mann aus Nigeria berichtet, er sei nach der Ermordung seines Vaters durch eine paramilitärische Miliz mit seiner Mutter nach Libyen geflohen. Dort seien sie entführt worden. Am Ende habe er mit ansehen müssen, wie acht Männer seine Mutter vergewaltigten und dann erschossen. Nur mit viel Glück habe er entkommen können. 

Schließlich legt die Ocean Viking im italienischen Hafen Salerno an. Die Geflüchteten werden vom Roten Kreuz und der Polizei empfangen. Was aus ihnen wird, bleibt ungewiss. 

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