„Wer kein Land hat, kann nicht produzieren“

„Landgrabbing“ hat viele Gesichter. Seit 2001 betreibt ein Tochterunternehmen des deutschen Kaffee-Konzerns Neumann in Uganda eine große Kaffeeplantage. Präsident Yoweri Museveni hat das Vorhaben im Distrikt Mubende maßgeblich unterstützt. Mehr als 2000 Menschen, die auf dem Gebiet der Plantage lebten, sind vertrieben worden. Seitdem kämpfen sie um eine Entschädigung. Ihr Sprecher Peter Kayiira hat nach Gesprächen mit der Bundesregierung und Vertretern der OECD neue Hoffnung geschöpft.
Herr Kayiira, die früheren Bewohner der Kaweri-Kaffeeplantage wurden gewaltsam vom ugandischen Militär vertrieben. Und diese Menschen wurden bis heute nicht entschädigt?

Bis heute gibt es keine oder nur eine ungenügende Kompensation für den Landverlust. Wir sind in der Sache vor ein ugandisches Gericht gezogen, aber dieser Prozess zieht sich äußerst zäh hin.

Was sind die Folgen für die rund 400 Farmerfamilien, die ihr Land verloren haben?

Die Menschen sind sehr arm und die Lebenshaltung wird von Tag zu Tag teurer. Wer keines oder viel zu wenig Land hat wie wir jetzt, kann nicht genug produzieren. Hinzu kommt ein stark eingeschränkter Zugang zu sauberem Wasser. Es kommt aus der nahen Plantage und ist oft verschmutzt und mit Chemikalien belastet. Viele Eltern können ihre Kinder nicht mehr zur weiterführenden Schule schicken, weil die Geld kostet und sie das Geld jetzt nicht mehr aufbringen können. Neben dem Verfahren in Uganda haben die betroffenen Bauern im vergangenen Jahr – unterstützt von der Menschenrechtsorganisation FIAN – bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Beschwerde gegen den Hamburger Kaffeekonzern eingelegt. Der Vorwurf: Die Neumann Kaffee Gruppe verletze die Menschenrechte und verstoße damit gegen die Leitsätze der OECD für multinational operierende Konzerne.

Ist jetzt Bewegung in die Sache gekommen? Sie waren gerade wieder in Berlin, um Gespräche zu führen.

Man hat uns bei der nationalen OECD-Kontaktstelle im Bundeswirtschaftsministerium Unterstützung zugesagt….

… die dort allerdings in der Abteilung Außenwirtschaftsförderung angesiedelt ist.

Menschenrechtsfragen sind nicht das Hauptthema des Wirtschaftsministeriums, wenn Sie das meinen. Damit sind in Deutschland mehrere Ministerien befasst. Hauptzuständig ist das Außenministerium. Und für ökonomische Interessen einzutreten und sich für die Einhaltung von Menschenrechten einzusetzen, ist in der Tat nicht immer dasselbe; oft ist es ein Gegensatz. Unseren Anspruch auf Einhaltung der Menschenrechte erkennt man dennoch grundsätzlich an. Darüberhinaus gibt es auch Anzeichen für konkrete Unterstützung. So hat etwa das Auswärtige Amt den neuen deutschen Botschafter in Uganda auf unseren Fall aufmerksam gemacht und einen Kontakt angeboten.

Wie ist die Haltung der Neumann Kaffee Gruppe – fühlt man sich dort an die OECD -Leitlinien gebunden?

Neumann sagt, man akzeptiere die Leitlinien und man befolge sie auch. Dabei stellt der Konzern allerdings bevorzugt darauf ab, was er in den vergangenen Jahren für bessere Arbeits- und Lebensverhältnisse getan habe, aber nicht auf das, was 2001 geschehen ist und bis heute das Leben der Vertriebenen so sehr belastet. Das Argument von Neumann beziehungsweise seiner Tochterfirma Kaweri ist: Das ist nicht unsere Sache, sondern Sache der ugandischen Regierung. Mit der sei schließlich damals ausgehandelt worden, dass man frei verfügbares, unbewohntes Land erhält. Entschädigung für die Vertreibung zu leisten, sei von Anfang an Sache der Regierung beziehungsweise des früheren Landbesitzers gewesen. Der sei verpflichtet gewesen, die Vertriebenen zu entschädigen.

Die Neumann Kaffee Gruppe sieht sich nicht als die Schuldige. Sie und die mit ihr verbundene nichtstaatliche Organisation NKG Coffee Alliance Trust halten sich vielmehr zugute, in Zusammenarbeit mit der ugandischen Regierung rund 15.000 Kaffeebauern zu einer ordentlichen Existenz verholfen zu haben. Seit einem Jahr gibt es zudem eine Kooperation der Neumann-Stiftung mit der US -amerikanischen Bill-Gates-Stiftung. Diese, heißt es, ziele speziell darauf ab, die Situation ugandischer Kleinbauern zu verbessern.

Der Punkt für uns sind nicht diese 15.000 Menschen, die man in den vergangenen Jahren unterstützt hat. Uns geht es um die 2041 Menschen, die vor neun Jahren gewaltsam vertrieben wurden und die bis heute nicht entschädigt sind.

Und das soll und kann die OECD -Kontaktstelle in Ordnung bringen? Sie ist nicht vor Ort, sie hat keine Sanktionsgewalt. Sie kann, nach den derzeitigen Regeln, nur auf Missstände hinweisen und in Ministerien auf politisches Handeln dringen.

Die OECD-Kontaktstelle kann auf jeden Fall eine Mediatoren-Rolle wahrnehmen. Sie kann – mit entsprechender politischer Unterstützung in Berlin – darauf hinwirken, dass die verschiedenen Seiten des Konflikts untereinander zu einer Lösung kommen, das heißt: wir, die Vertriebenen, die Neumann Kaffee Gruppe und nicht zuletzt auch die ugandische Regierung.

Womit wir auch bei dem Gerichtsverfahren wären, das Sie in Ihrer Heimat angestrengt haben und das seit Jahren nicht vorankommt. Wer ist dafür verantwortlich: die Beklagten, also die Regierung und Neumann, oder das Gericht selbst?

Das ist eine schwierige Frage. Wer da wie Einfluss nimmt, ist nicht immer leicht zu erkennen; auch gibt es in Uganda viel Korruption. Die Neumann Kaffee Gruppe beziehungsweise ihre Tochter Kaweri beharren im Kern auf dem Standpunkt, dass die Folgen der Vertreibung nicht in ihrer Verantwortung lägen, was wir so nicht gelten lassen. Unsere Position ist: Neumann hat Mitverantwortung, weil man die Vertreibung akzeptiert hat. Das Gericht wiederum will scheinbar nicht die Regierung und den Präsidenten zur Rechenschaft ziehen, die seinerzeit den Vertrag mit Neumann abgeschlossen haben. Und auch von der ugandischen Regierung erwarten wir, dass sie sich bewegt und sich endlich zu Entschädigungsleistungen bereit findet. Auf allen Seiten gab es in der Vergangenheit zu wenige Anstrengungen, zu einer Lösung zu kommen.

Und was wäre vor Ort jetzt das Beste?

Alles in allem wäre es wohl am besten, es würde sich eine außergerichtliche Lösung finden, worauf unsere Anwälte schon lange hinzuwirken versuchen. Jetzt hat der Staatsanwalt angeboten, über eine außergerichtliche Einigung zu reden, und wir werden das unterstützen. Wenn wir aber den Eindruck gewinnen, dass dieses Angebot nicht ernst gemeint ist, werden wir den Gerichtsprozess fortführen müssen.

Das Gespräch führte Johannes Schradi


Peter Kayiira
ist Sprecher der Vertriebenengruppe “Wake Up and Fight for Your Rights” und vertritt deren Anliegen auch gegenüber der deutschen Neumann Kaffee Gruppe.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2011: Behinderung: Das Recht auf Teilhabe
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