Schmutziges Erbe

Das Gold in El Salvadors Bergen ist heiß begehrt. Ausländische Konzerne haben beim Abbau die Umwelt vergiftet; das hat bis heute verheerende Folgen für die Anwohner. Die wehren sich nun gegen
neue große Minen – bislang jedenfalls mit Erfolg.

Der Minibus kämpft sich die ausgewaschene Schotterstraße hinauf. Bei über 35 Grad Lufttemperatur kühlt der Fahrtwind nicht, Staub legt sich auf Haut und Kleidung. Vorne taucht ein auf einer Seite wie abgefräst wirkender Berg auf. Großflächig nackter Fels wechselt sich mit Stellen ab, auf dem junge Bäume wachsen. Am Hang stehen Baracken aus Baumstämmen, Plastikfolien und Wellblech. San Sebastian im heißen Osten El Salvadors ist die älteste noch arbeitende Goldmine Zentralamerikas. Jahrzehntelang baute hier der US-amerikanische Konzern Commerce Group das Edelmetall ab. Anfang der 1980er Jahre zog er sich zurück – wegen Arbeitskämpfen und den politischen Spannungen in El Salvador, die kurze Zeit später in den Bürgerkrieg münden sollten. Heute, 30 Jahre später, kämpft das Unternehmen um eine neuerliche Lizenz. In der Zwischenzeit haben ein paar Dutzend lokale Bergleute den Betrieb übernommen.

Autor

Markus Plate

veröffentlicht seit mehr als zehn Jahren Reportagen und Radiobeiträge zu Lateinamerika. Zurzeit arbeitet er als Fachkraft für Brot für die Welt im Kommunikationszentrum Voces Nuestras in San José, Costa Rica.

Vorarbeiter Jesús Torre ist seit gut fünf Jahren dabei und hat die meiste Erfahrung. „Wir arbeiten hier auf eigene Rechnung, jeden Tag bis zu zehn Stunden, bis auf Sonntag“, sagt er. „Das Material bringen wir ins Tal zum Waschen, da wird dann geschaut, wie viel Gold im Gestein war. Manchmal verdienen wir 50 Dollar am Tag, oft aber gar nichts.“

Hundert Höhenmeter unterhalb der Stollen tritt ein quittengelber Bach aus dem Berg. El Salvadors Umweltministerium hat zuletzt im vergangenen Jahr Proben genommen: Das Wasser ist stark säurehaltig, die Cyanidkonzentration liegt neunfach über dem Grenzwert, die von Eisen sogar tausendfach darüber. So rinnt das giftige Wasser durch die kleine Ansiedlung Caserío del Puente, den „Weiler an der Brücke“. Hier spielen Kinder am Fluss, Frauen waschen Geschirr, Hühner picken im Ufersand, Schweine suhlen sich. Der permanente Auswurf der gelben Gewässer aus dem Berg kommt nicht von ein paar Bergleuten, die weitgehend unbehelligt mit einfachen Werkzeugen kleine Tunnel treiben. Er sei eine Folge des intensiven Goldbergbaus während der 1970er und 1980er Jahre, erläutert Angel Ibarra, Chef der salvadorianischen Umweltorganisation UNES. Der Berg enthalte nicht nur Gold und Silber, sondern außerdem Schwermetallsalze aus Arsen, Quecksilber, Cadmium. „Der Goldabbau setzt auch die Salze frei, der Regen wäscht sie aus und sie verteilen sich in der Umgebung.“ Diese Drainage trete erst auf, wenn die Unternehmen gegangen sind, weil dann nicht mehr abgepumpt, zwischengelagert und geklärt werde, erklärt Ibarra.

In der Provinz Cabañas hatte sich das Unternehmen Pacific Rim bereits einen Berg ausgesucht

Für weit gefährlicher als den gelben Auswurf hält Ibarra jedoch den Prozess, in dem das Gold aus dem Gestein gewaschen wird. Das geschieht mit Hilfe von Cyanid (als Natrium-, Kalium- oder Calciumcyanid), das mit Wasser vermengt wird. Das hochgiftige cyanidhaltige Waschwasser wird üblicherweise in einer Lagune unter freiem Himmel gesammelt: „Wenn so ein Damm durch ein Erdbeben ein Leck bekommt oder durch ein Unwetter überschwemmt wird“, warnt der Experte, „fließt die ganze Brühe zu Tal.“ Und dort, im Tiefland El Salvadors, lebt die Mehrheit der Bevölkerung des kleinen Landes.

Die Versprechen der Konzerne, der Goldabbau werde Jobs, Entwicklung und einen Geldsegen bringen, hält Ibarra für reine Propaganda. Er verweist auf die Goldmine „Valle de Siria“ im benachbarten Honduras, die als abschreckendes Beispiel in ganz Zentralamerika gilt: „Dort sind die Menschen heute ärmer und kränker als vor dem Goldabbau, ihre Äcker sind unbrauchbar und ihr Wasser ist vergiftet.“ Das könnte sich wiederholen. Denn die gesamte Gebirgskette von der guatemaltekisch-mexikanischen Grenze bis nach Costa Rica birgt das wertvolle Edelmetall. Fingergroße Nuggets wie zu Zeiten des Goldrausches in Nordamerika wird hier zwar niemand finden. Aber bei einem Weltmarktpreis um 1400 US-Dollar pro Feinunze sind auch Konzentrationen ab einem Gramm pro Tonne Gestein hoch genug, um internationalen Förderkonzernen Milliardeneinnahmen zu garantieren.

Zum Beispiel in der  Provinz Cabañas, auf halbem Weg zwischen San Sebastian und der Hauptstadt San Salvador. Hier hatte sich das kanadische Unternehmen Pacific Rim bereits einen Berg ausgesucht. In Cabañas, der zweitärmsten Region des Landes, leben die Menschen traditionell von der Landwirtschaft, sie bauen Mais und Bohnen an, in Wassernähe Gemüse. Hinzu kommen Fischerei und Viehhaltung. Ihr bescheidener Wohlstand drückt sich in neuen geräumigen Häusern aus, die neben die alten, kleinen Lehmziegelbauten gesetzt wurden. Er verdankt sich den Überweisungen, die die ausgewanderten Familienmitglieder jeden Monat aus den USA nach Hause schicken. Vor gut acht Jahren bemerkten die Bauern im Dorf Victoria, dass ihre Pflanzen verdorrten, Brunnen austrockneten und Vieh starb. Der Dorfsender „Radio Victoria“ ging der Sache auf den Grund und erfuhr von Erkundungsarbeiten von Pacific Rim, genau dort, wo die Landschaft vertrocknete. „Da haben wir uns bei Umweltschützern über Goldbergbauprojekte in der Region informiert, wir haben von all den Chemikalien gehört, die eingesetzt werden, und gesehen, dass die betroffenen Gemeinden vom Gold überhaupt nicht profitieren“, berichtet Oscar Beltrán, der seit vielen Jahren bei „Radio Victoria“ arbeitet.

Umweltexperten und mutige Journalisten bescherten Pacific Rim ein Imageproblem. Der Konzern versuchte daraufhin, die Berichterstattung von „Radio Victoria“ zu seinen Gunsten zu beeinflussen: 8000 US-Dollar pro Monat habe der Konzern für Werbeminuten geboten, erzählt Beltrán, viermal so viel wie der Monatsetat des Radios. „Nicht einmal für all das Gold, was ihr aus dem Berg rausholen könnt, verkaufen wir euch Werbeminuten“, war die einhellige Meinung des Kollektivs.

Auch die katholische Kirche in El Salvador hat sich eindeutig positioniert

Wer für die Vorfälle nach der Ablehnung der Offerte verantwortlich ist – darüber kann nur spekuliert werden. „Radio Victoria“ sah sich Einschüchterungen ausgesetzt, zunächst ganz subtil, wie sich Beltrán erinnert: „Typen sind hinter uns hergegangen, zum Markt, vor die Haustür, nach dem Motto: Wir wissen, wer und wo ihr seid!“ Als nächstes wurde der Sendeturm sabotiert. Auch das konnte den Widerstand der Gemeinden nicht brechen. 2010 wurde dann einer der bekanntesten lokalen Aktivisten verstümmelt in einem Brunnen gefunden, ein zweiter in seinem Auto von Kugeln durchsiebt. Zuletzt wurde die schwangere Frau eines weiteren Bergbaugegners auf offener Straße erschossen. Ermittelt wurde kurz und erfolglos, im April 2012 wurden die Ermittlungen eingestellt. Bis heute regiert die Angst vor weiteren Morden.

Die Drohungen und die Morde haben den Gemeinden landesweite Unterstützung gebracht. Zum Beispiel von der lutherische Kirche El Salvadors. Deren Bischof, Medardo Gómez, hat die Hinterbliebenen der Mordopfer betreut. Beim Goldbergbau werde die Natur aus reiner Gewinnsucht geschädigt, sagt er. Die Menschen würden in ein Martyrium gezwungen, weil sie sich für den Schutz des Lebens einsetzen. 

Doch warum befürworten Regierungen und viele Bürgermeister in Zentralamerika bis heute die in der Bevölkerung umstrittenen Bergbauprojekte? In Cabañas etwa werden 20 Milliarden US-Dollar Gewinn erwartet – und selbst die mickrigen Förderabgaben von einem Prozent sind für die Haushalte von Regierung und Gemeinden eine Menge Geld. Hinzu kommen andere „Aufmerksamkeiten“. So seien Gemeindefeste gesponsert worden und Entscheidungsträger würden auch ganz direkt die Hand aufhalten, berichten die Journalisten von „Radio Victoria“.

Dennoch hatte der Widerstand gegen den Goldbergbau in El Salvador einigen Erfolg. Das ist unter anderem der tatkräftigen Unterstützung von Professoren, Prominenten und Pfarrern zu verdanken. Auch die katholische Kirche in El Salvador hat sich eindeutig positioniert. Die salvadorianische Bischofskonferenz hatte sich schon im Jahr 2007 unter dem Titel „Schützen wir unser gemeinsames Haus!“ gegen den Goldbergbau ausgesprochen. Der Franziskaner Fray Domingo Solís ist einer der profiliertesten kirchlichen Bergbaugegner. Der Gründer seines Ordens, Franz von Assisi, sei schließlich der Schutzheilige der Ökologen, sagt Bruder Domingo.

Kanada, wo Pacific Rim seinen Sitz hat, beute seine eigenen Goldvorkommen kaum aus, „weil sie gute Umweltgesetze haben“, sagt Bruder Domingo. Die Menschen dort glaubten, ihre Konzerne arbeiteten in El Salvador unter denselben Standards wie zu Hause. „Aber hier lügen, manipulieren, schmieren, erpressen und morden die Unternehmen. Das muss die Öffentlichkeit in Kanada erfahren.“

Bruder Domingo Solís sorgt dafür, dass genau das passiert. Er ist Mitglied des „Nationalen Tisches gegen den Goldbergbau“ der salvadorianischen Anti-Bergbauallianz, der unter anderem von Misereor unterstützt wird. Ende Mai hatte der Nationale Tisch internationale Umweltschützer eingeladen – auch aus Kanada. Jen Moore von MiningWatch Canada versprach weiteren Druck aus der kanadischen Öffentlichkeit gegen das Treiben der Konzerne und gegen die kanadische Regierung, die „auf Kosten der Menschen und der Umwelt die Maximierung der Konzernprofite“ fördere.

Ein Moratorium gilt nur bis zu den nächsten Wahlen im Frühjahr 2014

Auf öffentlichen Druck entschieden El Salvadors damaliger Präsident Antonio Saca und seine unternehmerfreundliche ARENA-Partei 2009 angesichts der bevorstehenden Wahlen, den ausländischen Konzernen Commerce Group und Pacific Rim die beantragten Lizenzen für den Goldabbau zu verweigern. Die gesamte goldhaltige Bergregion El Salvadors entwässere in das Flusssystem des Rio Lempa, der zwei Drittel der Bevölkerung mit Trinkwasser versorgt. Deshalb sei in El Salvador diese Art von  wasser- und chemieintensivem Goldbergbau zu riskant, hieß es zur Begründung. Die Situation werde dadurch verschärft, dass bereits heute 90 Prozent der Oberflächengewässer des Landes belastet sind und ein knappes Drittel der Bevölkerung keinen sicheren Zugang zu sauberem Wasser hat, ergänzen Umweltschützer.

Mauricio Funes, der die Wahlen für die linke FMLN gewann, entschied in der Folge, grundsätzlich keine neuen Goldbergbauprojekte zu genehmigen. Doch dieses Moratorium gilt nur bis zu den nächsten Wahlen im Frühjahr 2014. Und noch in diesem Jahr droht El Salvador Ungemach. Die Unternehmen Pacific Rim und Commerce Group haben den Staat vor dem „Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten“, einem bei der Weltbank angesiedelten Schiedsgericht mit Sitz in Washington, auf insgesamt fast eine halbe Milliarde US-Dollar Schadenersatz verklagt. Bereits 2007 hatte Pacific Rim Klage eingereicht, weil dem Konzern im Jahr 2002 zwar eine Erkundungsgenehmigung für Cabañas erteilt, eine Förderlizenz seither aber verwehrt worden war.

El Salvador hat wie alle Länder Zentralamerikas das CAFTA-Freihandelsabkommen mit den USA unterzeichnet. Es enthält Klauseln, die Investitionen von Unternehmen schützen sollen. Pacific Rim hat seinen Hauptsitz in Kanada, klagte aber über eine Niederlassung in den USA. Das Schiedsgericht bewertete die Klage unter dem CAFTA-Mechanismus 2012 zwar für unzulässig, das Verfahren wird aber auf Basis des salvadorianischen Investitionsgesetzes fortgeführt. Auf die abschließenden Entscheidungen in beiden Verfahren wird auch außerhalb El Salvadors mit Spannung gewartet. Sie gelten als wichtiges Signal für aktuelle und zukünftige Konflikte zwischen Investitionsschutz und dem Recht der Bevölkerung, zum Beispiel auf sauberes Wasser.

Doch auch wenn sich El Salvador mit seiner Position vor der Schiedsstelle durchsetzen sollte: In Guatemala, direkt hinter der Grenze zu El Salvador, sind erst in den vergangenen Monaten zwei Goldminen genehmigt worden. Die Flüsse dort ergießen sich ebenfalls in den Rio Lempa. Damit drohen weitere Vergiftungen. Umso wichtiger sei es, dass El Salvador den Goldbergbau endlich per Gesetz verbiete, meint Lourdes Palacios, FMLN-Abgeordnete und Mitglied des parlamentarischen Umweltausschusses: „Ohne ein solches Gesetz wird uns Guatemala doch sagen: Warum wollt ihr uns vorschreiben, auf den Goldbergbau zu verzichten, während ihr selber das nicht tut?“ Palacios Position wird nach Umfragen von gut 60 Prozent der Bevölkerung unterstützt.

Ein Gesetzentwurf liegt bereits seit 2010 im Parlament, kommt aber angesichts der dortigen Mehrheitsverhältnisse nicht voran – die regierende FMLN hatte 2009 zwar die Präsidentschafts-, aber nicht die Parlamentswahlen gewonnen. Jüngste Meinungsumfragen sehen für die im Frühjahr 2014 anstehenden Wahlen erneut ein enges Rennen zwischen FMLN und ARENA voraus. Der Goldbergbau wird im Wahlkampf wohl eine wichtige Rolle spielen.

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erschienen in Ausgabe 9 / 2013: Solidarität: Was Menschen verbindet
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