Noch schläft der Unternehmergeist

Togo
Togo hat sein Genossenschaftsrecht reformiert, um Bauern einen besseren Zugang zum Markt zu ermöglichen. Die reagieren verhalten auf die neuen Regeln.

Unsere Avocados sind in der ganzen Region begehrt!“ Die Bauern von Kebo-Agblodomé, einem kleinen Dorf in der Region Plateaux in Togo, sind stolz. Bis nach Nigeria, über zwei Landesgrenzen, würden die Früchte verkauft, erzählen sie. Dort bezahle man viel Geld dafür. Und doch: „Wenn wir selbst dort vermarkten könnten, würden wir viel mehr verdienen.“ Zurzeit ist dieses Geschäft fest in den Händen von Zwischenhändlern.

Idyllisch liegt Kebo-Agblodomé an den Hängen des Mont Agou, des mit 986 Metern höchsten Bergs Togos. Der Blick geht weit in die Ebene bis ins benachbarte Ghana. Auf den Feldern rundum wachsen Avocado- und Kakaobäume, dazwischen drängen sich Bananenstauden am steilen Hang. Auf glitschigen Pfaden geht es nur mühsam voran. Das Dorf habe eigentlich 700 Einwohner, erzählen die Bewohner. Die Hälfte von ihnen arbeite jedoch in der Hauptstadt Lomé oder im Ausland. Die anderen leben vom Verkauf ihrer Feldfrüchte, Mais und Bohnen essen sie auch selbst. 

Die Avocado- und Bananenproduzenten haben sich vor zwei Jahren zusammengetan, um bessere Preise für ihre Produkte zu erzielen. „Nun sind wir dabei, uns unter dem neuen Genossenschaftsgesetz registrieren zu lassen. Dann könnten wir unsere Produkte selbst über die Grenze bringen. Außerdem möchten wir Avocados zu Öl verarbeiten, damit soll man gutes Geld verdienen können“, sagt der Chef des Dorfentwicklungskomitees, Augustin Agbeli Koku.

Togo hat 7,3 Millionen Einwohner und ist eines der ärmsten Länder der Welt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in extremer Armut. Im Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nationen lag Togo 2015 auf  Platz 162 von 188 Ländern. Mehr Einnahmen für die Bauern durch besseren Marktzugang und lokale Wertschöpfung würden die Armut verringern helfen und die ländliche Entwicklung voranbringen. Produzentenorganisationen und Unternehmergeist zu stärken gilt in der derzeitigen Debatte um sozial inklusive wirtschaftliche Entwicklung als Schlüsselfaktor. In vielen Ländern werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Genossenschaften reformiert – auch in Westafrika.

Im Mai 2011 hatten die siebzehn Mitgliedsländer der westafrikanischen Allianz OHADA (Organisation pour l’Harmonisation en Afrique du Droit des Affaires) ein neues Genossenschaftsrecht beschlossen, das in allen Mitgliedsländern gleichermaßen gesetzlich geregelt ist und in Togo 2013 in Kraft trat. So sollen einheitliche und stabile rechtliche Rahmenbedingungen für Produktions- und Vermarktungsgemeinschaften geschaffen und lokale unternehmerische Initiativen gefördert werden.

Auch in Agblodomé fühlten sich die Avocado- und Bananenproduzenten ermutigt, sich zu einer Genossenschaft zusammenzuschließen. Sie zählt 33 Mitglieder und soll dazu beitragen, die Produktion von Feldfrüchten sowie deren Verarbeitung und Lagerung zu verbessern und den gemeinsamen Verkauf zu organisieren. Beraten wird sie von der togoischen Entwicklungsorganisation GRED, einem Partner von Brot für die Welt. Kein einfaches Geschäft, wie Direktor Luc Bruce erklärt: „Die Bauern müssen lernen, ihre Produktion zu planen und wirtschaftlich zu denken. Dabei begleiten wir sie Schritt für Schritt.“ GRED rät der Gruppe von Agblodomé, sich unter der neuen Genossenschaftsform zu registrieren, und hat ihr geholfen, eine Satzung aufzustellen. Doch was würde ihnen die Registrierung bringen?

„Die Registrierung bei der zuständigen Behörde bietet Vor- und Nachteile“, sagt Mawuli Akpaki, Managementexperte in Lomé. Das Gesetz räume viel Freiheit ein, die Genossenschaft nach eigenen Regeln zu organisieren. Die Registrierung  sei einfach und eröffne Zugang zu staatlichen Dienstleistungen und Subventionen. Die Genossenschaften müssten zudem keine Steuern zahlen. „Andererseits“, fügt er hinzu, „sind die Anforderungen an die Rechnungslegung hoch. Für wirtschaftlich unerfahrene Mitglieder sind die administrativen Hürden beträchtlich.“ Aber auch die Behörden seien überfordert. Die Vergabe der Registrierungsnummer etwa laufe chaotisch.

Luc Bruce pflichtet ihm bei und nennt einen weiteren Grund, warum das neue Gesetz bisher wenig wirkt. Den Mitgliedern vieler landwirtschaftlicher Genossenschaften fehle die unternehmerische Initiative, sagt er. Jahrzehntelang habe die Regierung die kleinbäuerlichen Zusammenschlüsse organisiert. „Die Gruppen haben ihre Betriebsmittel vom Staat erhalten, die staatlichen Vermarktungsgesellschaften haben ihre Produkte gekauft. Heute müssen sie das selbst organisieren. Die Registrierung ist nur ein kleiner Schritt und heißt noch lange nicht, dass die Genossenschaft unternehmerisch handelt.“

Bauern bekommen bessere Preise

Soziale und wirtschaftliche Belange sind gleichermaßen wichtig in der Gemeinschaft der Avocado- und Bananenbauern  von Agblodomé. Ihre größte Errungenschaft sei, dass sie ihre Produkte jetzt gemeinschaftlich vermarkten, sagen die Mitglieder. „Früher kamen die Händlerinnen aus Lomé zu jedem von uns nach Hause, um unsere Avocados zu kaufen“, erzählt Schriftführerin Emilie Amegalolo Ama. „Wir mussten den Preis akzeptieren, den sie boten – manchmal bekamen wir nur 1500 CFA (2,30 Euro) pro Sack. Jetzt verkaufen wir gemeinsam während der Saison jeden Dienstag und Mittwoch unten an der Straße. Wir bekommen bis zu 5000 CFA (7,60 Euro) pro Sack, je nachdem, wie die Ernte ausfällt.“

Um das zu tun, mussten sie die Erlaubnis des Präfekten einholen; GRED hat ihnen dafür den Rücken gestärkt. Die Bündelung von Verhandlungsmacht ist ein wichtiges Ziel von Produzentenzusammenschlüssen, und hier hat er wohl Wirkung gezeigt. „Es ist wichtig, dass wir gemeinsam vorab einen Preis für unsere Produkte vereinbaren“, fügt Ama hinzu. „Damit erzielen wir höhere Gewinne und haben für unsere Familien mehr Einkommen.“

Fritz Agbekou, landwirtschaftlicher Berater bei GRED, sagt: „Wir  helfen den Leuten, den Markt zu analysieren, Qualitätsanforderungen kennenzulernen und zu berücksichtigen und Vertriebswege auszudenken. Manche sagen, Kleinbauern könnten das nicht lernen. Aber das stimmt nicht.“

Dem Staat misstraut man sowieso

Weil die Avocado eine empfindliche Frucht ist, kann etwa ein Drittel der Ernte nicht als Frischobst verkauft werden. Eine Verschwendung, finden die Bauern. Könnte man sie nicht zu Öl verarbeiten? Die entsprechende Technik könnten sie lernen, und eine Ölpresse könnte man aus einem staatlichen Förderprogramm finanzieren, sagen sie. Voraussetzung wäre allerdings, dass ihre Genossenschaft registriert wird.

„Unsere Satzung sieht vor, dass die Mitglieder ein Geschäftsguthaben von einer Million CFA (1520 Euro) aufbringen“, erläutert Schatzmeisterin Ella Duho Adjo. Für die Registrierung genügt der Nachweis, dass die Genossenschaft ein Viertel davon aufgebracht hat. Die Gruppe braucht also 250.000 CFA (381 Euro). Die Höhe des Guthabens haben die Mitglieder der Genossenschaft selbst festgelegt, das Gesetz schreibt keine Mindesthöhe vor.

Autorin

Bettina Meier

ist Beraterin Ökonomie der Armen bei Brot für die Welt.
Doch die Bauern sind noch weit davon entfernt, diese Summe aufzubringen. Woran liegt das? Zum einen scheint es tatsächlich am Unternehmergeist zu mangeln, den man durch die neue Gesetzgebung doch fördern wollte. Für viele Leute stehe das Soziale immer noch im Vordergrund. Sie meinen, aus der Kasse solle auch Geld für soziale Zwecke fließen, sagt Fritz Agbekou. „Aber die Genossenschaft hat wirtschaftliche Ziele. Ihre Rückvergütung erhalten die Mitglieder nur, wenn die Genossenschaft Gewinne erzielt.“

Zum anderen existieren im Dorf zahlreiche Initiativen, die ebenfalls Beiträge fordern: Die Mutter-Kind-Gruppe, das Dorfentwicklungskomitee, die Kakao-Kooperative und die Kirchengemeinde. Bei der jährlichen Dorfversammlung wird Geld für den Bau von Toiletten und Wegen gesammelt. Zusätzlich fallen Kosten für Bildung und Gesundheit an, für Schuluniformen und -bücher, für Schulgeld und Medikamente. Es ist oft schlicht und einfach kein Geld mehr da, um selbst geringe Beiträge aufzubringen.

Da warten viele Dorfbewohner lieber erst mal ab, wie sich die Genossenschaft entwickelt. Und schließlich: Dem Staat und seinen Behörden misstraut man sowieso. Und solange die staatlichen Institutionen nicht funktionieren, bewirken auch Gesetze keine Änderungen.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2017: Indigene Völker: Eingeboren und ausgegrenzt
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