Großer Schritt einer kleinen Kirche

Frauenordination
Die Nationale Evangelische Synode in Syrien und dem Libanon hat die erste Frau im Nahen Osten zur Pfarrerin ordiniert. Ob das Beispiel Schule macht, ist offen. Doch Frauenorganisationen feiern Rola Sleiman schon als „Vorbild Nummer eins“.

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Tripolis einmal in die moderne Kirchengeschichte eingehen würde? Die zweitgrößte Stadt im Libanon ist in den vergangenen Jahren immer wieder Schauplatz blutiger Scharmützel zwischen islamistischen Milizen gewesen und gilt bei Touristen als No-Go-Area. Hier, in der kleinen evangelischen Kirche, ist Ende Februar mit Rola Sleiman die erste Frau im Nahen Osten zur Pfarrerin ordiniert worden. Der Schritt war längst überfällig.

Seit Jahrzehnten diskutieren nicht nur die Protestanten im Libanon und Syrien, ob Frauen zum Pfarramt zugelassen werden sollen. Auch in Ägypten, im Irak, in Palästina – überall im Nahen Osten, wo es evangelische Theologinnen gibt – stellt sich diese Frage. Für die Frauen geht es nicht nur um Gleichberechtigung, sondern auch um Beschäftigungschancen. Obwohl viele von ihnen hoch qualifiziert sind, werden sie in der Regel bislang nur  in der Kinder- und Jugendarbeit eingesetzt.

Ob sie ihren männlichen Studienkollegen ebenbürtig werden, liegt in der Entscheidungsmacht jeder einzelnen Kirche. Dort stellen bislang ausschließlich Männer die Weichen. Unter ihnen eine Mehrheit für die Frauenordination zu finden, ist nicht leicht. Jede Theologin zwischen Euphrat und Nil hat die Gegenargumente schon oft zu hören bekommen. Das stehe so nicht in der Bibel. Oder: Frauen spielten nun einmal eine andere Rolle in der Gesellschaft als Männer.

"Wichtigere Probleme als Frauen im Pfarramt"

Gerne wird auch die ökumenische Karte ausgespielt. Manche Kirchenführer befürchten, dass eine weibliche Pfarrerin von den orthodoxen oder katholischen Kollegen nicht ernst genommen werden könnte. Auch handeln sich diejenigen, die sich für die Frauenordination stark machen, den Vorwurf ein, sie würden die Kirche spalten. Besonders bitter war für viele Befürworter, dass ausgerechnet der Arabische Frühling, der die Debatte über Gleichberechtigung und Demokratie befeuerte, den Hardlinern ein Gegenargument lieferte: In Zeiten der Unruhe gebe es wichtigere Probleme zu lösen, als über Frauen im Pfarramt zu diskutieren.

In der Synodenkirche in Syrien und im Libanon fand sich nun endlich eine Mehrheit unter den stimmberechtigten Männern. Sie stellte die Ordination von Rola Sleiman offiziell in den Rahmen des 500-jährigen Reformationsjubiläums. Dass die 40-Jährige die erste Pfarrerin im Nahen Osten geworden ist, lag auf der Hand. Seit 2008 amtiert sie bereits in der kleinen evangelischen Kirche in Tripolis. Deren Pfarrer war damals in die USA ausgewandert und die Gemeinde, aus der Rola Sleiman selbst stammt, drohte zu verwaisen.

Die resolute Frau, die evangelische Theologie in Beirut studiert hatte, fing einfach an, das Gemeindeleben zu organisieren, zu predigen und die rund 30 Mitgliedsfamilien seelsorgerlich zu betreuen. Dass die Gemeinde sie schätzte, sprach sich auch bei den Verantwortlichen im Kirchenamt in Beirut herum. Vor einigen Jahren wurde sie zur Predigerin eingesegnet – was fast schon dem Rang eines Pfarrers gleichkommt. Nur taufen und das Abendmahl austeilen durfte sie nicht. Dafür wurde ein männlicher Pfarrer nach Tripolis geschickt.

Die Front der Gegner ist weiter stark

Am 24. März wird die Synodenkirche die zweite Frau ordinieren: Najla Kassab, die Frau des derzeitigen Generalsekretärs. Ob dabei familiäre Bande eine Rolle gespielt haben, sei dahingestellt. Najla Kassab ist derzeit im Kirchenamt für den Bereich christliche Erziehung zuständig und eine international angesehene evangelische Theologin.

Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung der Synodenkirche  auch auf andere evangelische Kirchen im Nahen Osten ausstrahlen wird. Auf die katholischen, orthodoxen und orientalischen Kirchen in der Region wird sie sicher keinen Einfluss haben. Die sind auch in anderen Erdteilen grundsätzlich gegen Frauen im Priesteramt. Umso mehr haben zivilgesellschaftliche Gruppen die Ordination von Rola Sleiman gefeiert: Am internationalen Frauentag, dem 8. März, wurde sie von Frauenorganisationen im Libanon zum „Vorbild Nummer eins“ ernannt.

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erschienen in Ausgabe 4 / 2017: Die Versuchung des Populismus
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