Politische Stiftungen sind besorgt

BDS-Beschluss
Im Mai hat der Bundestag die BDS-Kampagne, die sich für einen Boykott Israels ausspricht, als antisemitisch verurteilt und die Bundesregierung aufgefordert, sie zu ächten. Unter den politischen Stiftungen in Deutschland herrscht nun Sorge, dass rechte israelische Lobbygruppen Teile der palästinensischen Zivilgesellschaft, mit denen die Stiftungen arbeiten, unter Druck setzen werden. Das Entwicklungsministerium hingegen reagiert gelassen.

Das Ministerium (BMZ) hat 2018 rund 107 Millionen Euro in die Zusammenarbeit mit Partnern in den Palästinensischen Gebieten investiert. Das Engagement reiche vom Wiederaufbau über Hilfe zur wirtschaftlichen und sozialen Stabilisierung bis hin zum Aufbau von Institutionen und Infrastruktur sowie der Förderung der Zivilgesellschaft, teilte ein Sprecher mit. Bereits in der Vergangenheit habe die Bundesregierung weder Projekte noch Organisationen gefördert, die BDS unterstützen. Das gelte unverändert, betonte der Sprecher, und sei Bestandteil der Prüfung des Auswärtigen Amtes, bevor es Förderprojekte als unbedenklich einstuft. Ohne diese Zustimmung beauftrage das BMZ keine Vorhaben in Israel oder den Palästinensergebieten.

Die meisten zivilgesellschaftlichen Gruppen in Palästina haben den BDS-Aufruf zum Boykott Israels aus dem Jahr 2005 unterzeichnet. Barbara Unmüßig von der grünen Heinrich Böll-Stiftung fürchtet deshalb, als Folge des Bundestagsbeschlusses könnten palästinensische Partner künftig pauschal mit Antisemiten gleichgesetzt werden. Ein Sprecher der Böll-Stiftung sagte, die Stiftung finanziere keine BDS-Projekte und lehne aus historischen und politischen Gründen einen Boykott von Menschen, gesellschaftlichen Gruppen und Produkten aus Israel strikt ab. Doch dürfe der Spielraum für Diskussionen mit palästinensischen Gruppen ebenso wenig gefährdet werden wie der mit israelischen Partnern, die ebenfalls von Diffamierungen bedroht seien.

Zu Unrecht in die antisemitische Ecke gedrängt

Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) bedauert, dass über Jahrzehnte aufgebautes Vertrauen zu Partnern belastet werde. Die BDS-Resolution werde in Palästina nicht als Zeichen gegen Antisemitismus verstanden, sondern als Angriff auf die Zivilgesellschaft und ihren gewaltfreien Protest. „Es ist zu befürchten“, so ein Sprecher, „dass im Kontext des Beschlusses Organisationen der palästinensischen Zivilgesellschaft und deutsche entwicklungspolitische Akteure in Palästina unter Druck gesetzt werden und zu Unrecht in eine antisemitische Ecke gedrängt werden.“

Die Stiftung betont, sie trete Antisemitismus entschieden entgegen. Doch sei „eine Gleichsetzung von Antisemitismus und BDS aus Sicht der FES problematisch“. Vielmehr sei es unabdingbar, sich in der vielschichtigen Realität mit den Zielen, Methoden und Motiven der Bewegung und ihrer Sympathisanten differenziert auseinanderzusetzen. Gemäß der Linie des BMZ habe man zu keinem Zeitpunkt BDS-Aktivitäten unterstützt und werde dies auch künftig nicht tun.  

Um verlorenes Vertrauen ringen

Für die Rosa-Luxemburg-Stiftung sind die Folgen für die Zusammenarbeit in der Region noch nicht absehbar. Sicher müsse um verlorenes Vertrauen und ein solidarisches Miteinander neu gerungen werden. Viel hänge davon ab, wie das Auswärtige Amt eine „aktive Unterstützung“ von BDS genau definiere. Etablierte Menschenrechtsorganisationen, Vereinigungen von Anwälten, Ingenieuren, Landwirten, Lehrern oder Gesundheitsberufen hätten den Aufruf aus dem Jahr 2005 unterzeichnet. „Sollte schon dies als aktive Unterstützung gelten, stünde die weitere Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den palästinensischen Gebieten, in der Region, zu Teilen in Israel und anderen Ländern des globalen Südens, aber auch in Europa und Nordamerika zur Disposition“, heißt es auf Anfrage. Für die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik wäre das eine enorme Einschränkung und ein Rückschlag für demokratische Kräfte weltweit.

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erschienen in Ausgabe 9 / 2019: Mission und Macht
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