Kein Virus, aber auch kein Essen

Sofi Lundin

Profiteure der Krise: Ein Laden in Kampala verkauft einfache Mundschutzmasken.

Corona in Uganda
Uganda hat schnell und konsequent auf den Ausbruch des Coronavirus reagiert und meldet kaum Erkrankungen. Aber der Preis für die radikalen Maßnahmen ist hoch.

Kampala zur Mittagszeit am 26. März: Im Viertel Kisugu treffen sich ein Dutzend Boda-Boda-Fahrer. Am Vortag zur gleichen Zeit haben die Fahrer dieser Motorradtaxis noch im ganzen Stadtgebiet ihre Arbeit gemacht. Heute trinken sie den lokalen Waragi-Schnaps und diskutieren über die Ansprache des Präsidenten Yoweri Museveni – vor allem über das Verbot, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Über Nacht sind dadurch Hunderttausende Ugander arbeitslos geworden.

Die vielen Boda-Boda-Fahrer in Ugandas Hauptstadt dürfen jetzt nur noch Waren transportieren und Lieferungen ausfahren. Fahrer mit Stammkunden und einem großen Netzwerk können das verkraften, die meisten aber trifft die neue Regel hart. „Ohne Arbeit haben wir kein Geld für unsere Familien. Ich wollte zurück in mein Dorf, aber ohne Transportmöglichkeiten geht das nicht, also hänge ich hier ohne Arbeit fest“, sagt Joseph Ngirumpatse, der seit Jahren Boda-Boda fährt.

Am 22. März wurde in Uganda der erste Coronafall bestätigt. Einen Monat später gibt es offiziell 55 Infizierte im Land. (Stand 20.04) Die Behörden haben eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Alle Personenflüge von und nach Uganda wurden gestrichen, nur Transportflugzeuge dürfen noch starten und landen. Schulen, Universitäten, Kirchen, Nachtclubs und andere Orte, an denen viele Menschen zusammenkommen, mussten schließen. Der Öffentliche Nahverkehr wurde ausgesetzt, auch private Fahrzeuge dürfen nicht mehr genutzt werden. Auf den Märkten gelten strenge Abstandsregeln und es dürfen nur Nahrungsmittel verkauft werden. Zudem gilt zwischen 19 Uhr abends und sieben Uhr morgens eine nächtliche Ausgangssperre.

„Die Situation ist unerträglich"

Aisha Namuddu verkauft Obst auf dem Nakasero-Markt in Kampala. Vor der Coronakrise bezahlte sie für einen Sack Passionsfrüchte 300.000 Uganda-Schillinge. Die gleiche Menge kostet sie nun 450.000 Schillinge. „Die Preise steigen täglich und es kommen kaum Kunden. Die Situation ist unerträglich, aber mir bleibt nichts anderes übrig, als weiterzumachen“, sagt Namuddu.

Neuer Alltag in Uganda: Fiebermessen an einem Busbahnhof in Kampala.

Ali Twaibu, ein anderer Marktverkäufer, machte sein Geschäft mit Naturheilmitteln, die er aus Tansania importiert. Nun sind die Grenzen geschlossen und es kommt keine Lieferung mehr aus dem Ausland. „Ich bin der einzige in meiner Familie, der Geld verdient. Wenn die Krise noch lange dauert, habe ich keine Waren mehr, die ich verkaufen könnte. Ich habe keine Ersparnisse und keinen anderen Job, den ich machen kann“, sagt er.  

Kaum Kunden, keine neue Waren

Auch der Handel mit China, Ugandas wichtigstem Handelspartner, ist fast komplett zum Erliegen gekommen. Das trifft vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die rund 13 Prozent von Ugandas Wirtschaftsleistung ausmachen. „Ich habe 95 Prozent meiner Kunden verloren und ich erhalte keine Ware mehr. Jetzt muss ich meinen Laden schließen“, sagt der Besitzer von Bintom Electronics, einem Laden, der mit Musikprodukten handelt.

Autorin

Sofi Lundin

ist freie Journalistin und Fotografin in Uganda.
Fast alle Bereiche der Wirtschaft leiden unter der Krise, auch die Landwirtschaft und der Tourismus. Das Tourismusgewerbe beschäftigt in Uganda rund 700.000 Menschen und trägt 7,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei. Geschlossene Grenzen und die Abstandsregeln im Alltag schaden dem Geschäft von Hotels, Reiseagenturen und Fremdenführern. „Wir haben in unserem Hotel nur 25 Prozent aller Betten belegt und für die Monate März und April erwarten wir insgesamt einen Verlust von 700.000 US-Dollar allein durch Stornierungen“, sagt Jean-Philippe Bettencourt, der geschäftsführende Direktor des Sheraton-Hotels in Kampala, laut einem Bericht der Zeitung „New Vision“.

Der Ausbruch von Covid-19 und die vorbeugenden Maßnahmen der Regierung beeinträchtigen die Menschen im ganzen Land – auch die rund 70 Prozent der Bevölkerung in ländlichen Regionen. „Die Bauern sind nicht auf die gleiche Weise betroffen wie die Bevölkerung in den großen Städten. Womit sie am meisten zu kämpfen haben, sind fehlende Transportmöglichkeiten für ihre Produkte“, erklärt Wilfred Nyeko von der Distriktverwaltung in Kitgum im Norden Ugandas.

Viel Lob für die Regierung

Nyeko leitet einen Krisenstab, der die Aufklärung und die Hilfe für Betroffene koordinieren soll. „Wir haben allen Distrikten ein paar Motorräder zur Verfügung gestellt, die in Notfällen genutzt werden können“, sagt er. Er meint, dass viele in den Dörfern die Gefahr unterschätzten, die von Covid-19 ausgeht. „Wir versuchen, die Leute dazu zu bringen, dass sie die Regeln befolgen und Abstand halten. Viele tun das, aber manche glauben, dass Covid-19 sehr weit weg ist und nichts mit ihnen zu tun hat.“  

Viele Ugander haben Päsident Musevenis schnelle Reaktion auf die Pandemie begrüßt. Er hat vorbeugende Maßnahmen erlassen, noch bevor das Land seinen ersten offiziellen Fall von Covid-19 meldete. Am 14. April hat Museveni bekannt gegeben, dass der Lockdown um weitere 21 Tage verlängert wird. Diese Entscheidung scheint vernünftig, weil es viel zu früh ist, das Ende der Pandemie zu feiern.

Die Behörden führen nun Gespräche mit Banken, Finanzinstituten und einer Reihe von Unternehmen darüber, wie man der Bevölkerung helfen kann, die Krise zu überstehen. Auch mit den nationalen Strom- und Wasserversorgern wird verhandelt, wie die finanzielle Belastung für die Bürger verringert werden kann.

Wer Nahrungsmittel verteilt, wird angeklagt

Anfang des Monats hat der Staat begonnen, an von der Krise besonders betroffene Bürger Nahrungsmittel zu verteilen. Bislang haben rund 1,5 Millionen Menschen solche Hilfen erhalten. Der Präsident hat Politiker der Opposition und Einzelpersonen davor gewarnt, in eigener Regie Nahrungsmittel zu verteilen, weil bei der Verteilung der nötige Abstand nicht mehr eingehalten werden könne. Wer gegen die Anordnung verstößt, dem droht eine Anklage wegen versuchten Mordes.

Während nun viele Menschen auf Nahrungsmittelhilfe warten, wurden vier hochrangige Regierungsmitarbeiter verhaftet, die im Büro des Premierministers Ruhakana Rugunda für ein Programm verantwortlich waren, mit dem wegen Covid-19 Nahrungsmittel an besonders Bedürftige verteilt werden sollen. Den Beschuldigten wird Medienberichten zufolge vorgeworfen, Nahrungsmittel zu überteuerten Preisen eingekauft zu haben und damit dem Staat einen Schaden von mindestens 528.000 US-Dollar zugefügt zu haben.

Die Regierung hat viele Spenden von Unternehmen und Bürgern erhalten und angekündigt, die  Bedürftigen in der Pandemie weiter zu unterstützen. Viele Menschen in Kampala loben die Anstrengungen, andere sind besorgt und frustriert. „Die Behörden haben versprochen, den Menschen in unserem Viertel zu helfen. Ohne Arbeit und Essen wird es sehr hart für unsere Familien. Ich bete dafür, dass sich die Situation bald verbessert“, sagt Helen Baleke aus dem Stadtviertel Kansanga. 

Aus dem Englischen von Sebastian Drescher.

Mehr Berichte zu den Auswirkungen der Pandemie in verschiedenen Ländern finden Sie in unserem Corona-Dossier

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