Debatte über die Entwicklungspolitik bis 2024

Österreich
Bis Jahresende will das österreichische Außenministerium (BMEIA) das neue Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik präsentieren. Diskutiert wird jetzt schon darüber.

In der Einleitung eines Entwurfs für das Programm heißt es, die Entwicklungspolitik „will Lebens­perspektiven in einem Umfeld sozialer und politischer Stabilität sowie eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 fördern. Sie ist ein wichtiger Teil der österreichischen Außenpolitik“. Das Programm für die Jahre 2022 bis 2024 wird das zentrale Dokument der österreichischen Entwicklungspolitik sein.

Als globale Probleme, auf die die Entwicklungspolitik reagieren müsse, definiert das Papier die Covid-19-Pandemie, den Klimawandel sowie Migration und Vertreibung. Österreich leiste über seine Entwicklungszusammenarbeit einen Beitrag zu einer geordneten, sicheren, regulären und verantwortungsvollen Migration und Mobilität. Ziel müsse sein, entwicklungspolitische Maßnahmen, humanitäre Hilfe und Unterstützung für rückkehrende Migranten aufeinander abzustimmen, so dass sie sich sinnvoll ergänzen. Ein besonderes österreichisches Anliegen ist die Unterstützung von Gesellschaften in Partnerländern, in die Migrantinnen und Migranten zurückkehren. Priorität habe also die Verhinderung von Migration in großem Stil nach Europa.

Ein erster Entwurf wurde im Sommer zurückgezogen

Die Präsentation eines ersten Entwurfs in kleinem Kreis im Sommer verlief einigermaßen unglücklich. Die Austrian Development Agency (ADA), die die bilateralen Projekte abwickelt, monierte, der Bereich der Öffentlichkeitsarbeit sei nicht berücksichtigt. Das erstaunt in einer Regierung, deren Bundeskanzler allein fast 60 Personen im Bereich Kommunikation und PR beschäftigt hat. Der Entwurf wurde dann zur gründlichen Überarbeitung zurückgezogen. Gleichwohl wurden alle Interessierten aufgerufen, sich dazu zu äußern.

Die AG Globale Verantwortung, der Dachverband von 34 entwicklungspolitischen und humanitären Organisationen, begrüßt in ihrer Stellungnahme, dass der Entwurf des neuen Programms Kernthemen der österreichischen Entwicklungspolitik wie Armutsbeseitigung, Ressourcenschutz und Stärkung der Zivilgesellschaft weiterführt und sich auf Aspekte wie Inklusion, Geschlechtergleichstellung, Umweltschutz und die Klimakrise bezieht. Ihr fehlt aber ein Bekenntnis zur internationalen Zusage, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, sowie ein Stufenplan, wie und wann Österreich dieses Ziel erreichen will.

Kritik an Schlagwortpolitik

Österreich bekennt sich seit Jahrzehnten zu diesem von den Vereinten Nationen ausgegebenen Ziel, kommt ihm aber nicht näher. Für die Jahre bis 2024 prognostiziert das Finanzministerium sogar ein Absinken auf unter 0,3 Prozent des Bruttosozialprodukts. Die SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr weist außerdem darauf hin, dass in den kommenden drei Jahren allein die Entschuldung des Sudan mit 281 Millionen Euro zu Buche schlagen werde. Die werden voll in die offiziellen Leistungen für Entwicklungszusammenarbeit eingerechnet, finanzieren aber naturgemäß keine neuen Projekte. Insgesamt finden sich im Prognoseszenario der österreichischen Entwicklungspolitik für die Jahre 2021 bis 2024 Entschuldungen in der Höhe von 1,752 Milliarden Euro. Das ist rund die Hälfte der voraussichtlichen Ausgaben über drei Jahre. 2020 betrug die ODA 1,113 Milliarden Euro.

Die entwicklungspolitisch-feministische Organisation WIDE wünscht sich, dass „entsprechend der EU-Zielsetzung“ 85 Prozent aller österreichischen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit den Kriterien des Gender-Mainstreaming des Entwicklungsausschusses der OECD entsprechen. Laut WIDE gilt diese Vorgabe bisher nur für von der ADA geförderte Projekte nichtstaatlicher Hilfsorganisationen in Afrika. Andere Organisationen bemängeln, im Entwurf für das Dreijahresprogramm würden international weitgehend anerkannte Prinzipien der Entwicklungspolitik mit politischen Interessen Österreichs oder nichtssagenden Schlagworten vermischt. Weder „Hilfe vor Ort“ noch der „Fokus auf Digitalisierung“ seien Prinzipien, die als handlungsleitend für alle Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit verwendet werden können oder sollten.

Hilfe vor Ort als Alternative zur Aufnahme von Flüchtlingen

„Hilfe vor Ort“ etwa ist die von der Regierung immer wieder bemühte Antwort auf Forderungen, Flüchtlinge aufzunehmen, zuletzt nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan. Kritiker sehen diese Hilfe vor Ort als unwirksame Symbolpolitik, wie etwa die Lieferung von winterfesten Zelten für die Flüchtlinge in Griechenland. Diese lagerten mehr als ein Jahr nach der Lieferung noch immer in einem Depot in Athen.
 

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erschienen in Ausgabe 12 / 2021: Das Spiel der großen Mächte
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