Falsches Signal an Entwicklungsländer

Weltklimakonferenz
Die Bundesregierung hat 2021 mehr Klimahilfe gezahlt als erwartet – doch jetzt soll sie sinken. Warum das ein Problem ist, kommentiert Bernd Ludermann.

Bernd Ludermann ist Chefredakteur von „welt-sichten“.
Neue Zahlen aus dem Entwicklungsministerium (BMZ) klingen wie eine gute Nachricht: 2021 bekamen Entwicklungsländer aus Berlin 8,1 Milliarden Euro Klimahilfen für die Reduzierung von Emissionen und die Anpassung an Folgen der Erderhitzung. Solche Zahlen sind mit Vorsicht zu nehmen. Aber das Hauptproblem ist: Die deutsche Klimahilfe wird ausgerechnet im Katastrophenjahr 2022 wieder sinken. 

Alle Geberländer rechnen ihre Klimafinanzierung gerne groß – etwa indem sie Kredite berücksichtigen, die zurückzuzahlen sind. Im Fall Deutschlands bestand die Klimahilfe laut BMZ in 2021 aus 2,6 Mrd. Euro vergünstigten Krediten, 170 Millionen „mobilisierten“ Privatinvestitionen (ein vernachlässigbarer Betrag) sowie 5,3 Mrd. Haushaltsmitteln. Diese enthalten auch Geld für multilaterale Banken wie die Weltbank, die wieder Kredite vergeben. Aber immerhin lag der reine Zuschussanteil der 8,1 Mrd. Euro laut Auskunft des BMZ bei knapp 5 Mrd. Euro.

Das enthält Projekte, die teils Klimaschutz oder Anpassung zum Ziel haben, teils anderes wie Ernährungssicherung oder Frauenförderung. Was davon als Klimahilfe neues Geld über „normale“ Entwicklungshilfe hinaus ist, ist zum Teil Ermessenssache. Allerdings ist das so lange kein großes Problem, wie die Klimahilfe steigt, ohne dass die übrige Entwicklungshilfe sinkt.
Erfreulich ist: Das war in Deutschland 2021 der Fall. Und die 5,3 Mrd. Euro Haushaltsmittel für Klimahilfen waren rund 1 Mrd. mehr, als für genau diesen Posten 2021 eigentlich geplant war. Berlin war hier großzügiger als vorgesehen. Zudem ist der Anteil der Zuschüsse höher als im Durchschnitt der anderen Geber aus den OECDLändern und ebenso der für Anpassung vergebene Teil – praktisch die Hälfte. Im Vergleich steht Deutschland also relativ gut da.

Aber die neuen Zahlen erwecken einen falschen Eindruck: Berlin ist keineswegs im Begriff, sein Versprechen vom G7-Gipfel 2021 einzulösen und spätestens 2025 jährlich 6 Mrd. Euro Klimafinanzierung zu zahlen. Im Gegenteil dürfte die deutsche Klimahilfe wieder deutlich sinken: 2022 wird Berlin dafür laut einer eigenen Vorausschätzung 4,3 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt aufwenden; dieselbe Summe ist für 2023 vorgesehen.
Über 80 Prozent dieser Haushaltsmittel kommen aus dem Etat des BMZ, und der soll 2023 um gut 10 Prozent gekürzt werden. Stimmt der Bundestag dem zu, dann ist also absehbar, dass nicht nur die deutsche Klimahilfe wieder sinken wird, sondern auch die öffentliche Entwicklungshilfe. Das ist das falsche Signal für die anstehende UN-Klimakonferenz in Ägypten. Dort werden Entwicklungsländer mehr Klimafinanzierung und zusätzlich Entschädigungszahlungen für Klimaschäden zu einem Knackpunkt machen.

Das ist kein Wunder nach jüngsten Katastrophen wie der Dürre in Ostafrika und der Überflutung von großen Teilen Pakistans. Bisher zahlen die Geberländer aber nicht einmal gemeinsam die 100 Mrd. US-Dollar Klimahilfe pro Jahr, die sie seit langem versprechen. Sicher, andere Geber sind viel knauseriger; in den USA hat der Kongress die von Präsident Biden beantragte Summe drastisch gekürzt. Aber auch die Bundesregierung nährt das Misstrauen im Süden, wenn sie ihre Hilfe jetzt wieder senkt. Das sind schlechte Aussichten für eine Nord-Süd-Verständigung zum Klimaschutz.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2022: Leben in Krisenzeiten
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