Rücksichtsloses Milliardengeschäft

Seit Wochen sprudeln aus der zerrissenen Ölleitung im Golf von Mexiko jeden Tag Millionen Liter Öl ins Meer – die Nachrichten berichten täglich davon. In Ländern wie Nigeria hingegen leiden die Menschen seit Jahrzehnten unter dem unverantwortlichen Treiben der Konzerne, ohne dass das bisher zu ähnlicher Aufregung geführt hat.

Die USA und Nigeria haben mehr gemeinsam, als man zunächst vermuten mag: In beiden Ländern wird Öl gefördert. Regierungen beider Staaten hatten in der Vergangenheit oft ein zu enges Verhältnis zu den Ölfirmen im Land; Mitarbeiter wechselten munter von der Industrie ins politische Amt und zurück. Ebenso wie im Nigerdelta hat die Ölindustrie nun an der Küste der USA eine riesige Katastrophe verursacht. Und in beiden Staaten schauen die Regierungen tatenlos zu – unwillig oder unfähig, das Unheil aufzuhalten.

Im Nigerdelta sind viele Anlagen von Firmen wie Shell und Chevron altersschwach, doch darum scheren sich die Unternehmen wenig. Seit Jahrzehnten nehmen sie es hin, dass aus defekten Leitungen Öl austritt und die Region verseucht. Experten streiten sich, ob dort jedes Jahr gut zwei Millionen Liter Öl auslaufen oder das Zehnfache davon. Auch am Golf ist man sich nicht sicher, wie viel von dem Schmierstoff aus dem Loch sprudelt. Momentan reichen die Schätzungen bis 9,5 Millionen Liter täglich.

Dass Abgeordnete des US-Kongresses nun die Chefs von BP und anderen beteiligten Firmen öffentlich ins Kreuzverhör nehmen, ist auch ein Zeichen der Hilflosigkeit. Dieses Theater entlässt die Politiker nicht aus ihrer Verantwortung. Sie hätten die Unternehmen längst per Gesetz zu größeren Investitionen in die Sicherheit zwingen müssen. Zudem fehlt offensichtlich eine wirksame Kontrolle der Sicherheitsstandards. Zu erwarten, dass ein Firmenboss aus freien Stücken teure Notfallpläne ausarbeiten lässt und die nötige Technik dafür einkauft, ist naiv. Denn dafür wäre er zumindest bisher nicht von seinem Aufsichtsrat belohnt worden. Laut dem demokratischen Kongressabgeordneten Edward Markey haben die weltweit fünf größten Ölfirmen in den vergangenen drei Jahren knapp 289 Milliarden US-Dollar verdient. In Notfallpläne für Unfälle hätten sie im gleichen Zeitraum jedoch insgesamt nur 20 Millionen investiert, rechnet Markey vor –  Peanuts also. Vor einigen Wochen sickerte durch, dass US-Behörden geschmiert wurden, damit sie die Ölfirmen im Golf von Mexiko nicht bei ihrer unsicheren Arbeit stören. Auch das erinnert an Nigeria.

 

erschienen in Ausgabe 7 / 2010: Andenländer, alte Kulturen neue Politik
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