„Die Saat, die wir nun wässern und pflegen müssen“

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REUTERS/David Dee Delgado
Der Plenarsammlung der UN-Generalversammlung am ersten Tag des UN Summit of the Future. Am nächsten Tag wurde hier mit großer Mehrheit der Pact of the Future beschlossen.
Summit of the Future
Der auf dem UN-Zukunftsgipfel verabschiedete Pact for the Future enthält viele Schwächen, sagt Betty Wainaina von der New York University. Dennoch sei es ein Meilenstein, dass er verabschiedet wurde.

Betty Wainaina leitet das Multilateral Reform Program am Center for International Cooperation an der New York University.

Die deutsche Entwicklungsministerin hat gesagt, der Pact for the Future mache in einer schwierigen Weltlage Hoffnung für den Multilateralismus. Stimmen Sie zu?
Ja, mit Einschränkungen. Ich habe die Verhandlungen über den Pakt seit vergangenem Jahr eng verfolgt, und ich denke tatsächlich, er bestätigt, dass es Hoffnung für den Multilateralismus gibt. Die UN-Mitglieder haben sich dazu bekannt, auf multilaterale Politik zu setzen und miteinander zu kooperieren. Eine ganz andere Frage ist, ob der Pakt ambitioniert genug ist, den globalen Herausforderungen gerecht zu werden. Er ist das Ergebnis von Verhandlungen in Zeiten wachsender geopolitischer Spannungen und eines Mangels an Vertrauen. Einzelne Staaten verfolgen in erster Linie ihre eigenen Interessen. Deshalb ist der Pakt am Ende weniger ambitioniert, als viele es gern gesehen hätten. Aber ich bleibe optimistisch und betrachte ihn als einen Schritt in die richtige Richtung.

Ist also gar nicht so sehr der Inhalt wichtig, sondern die Verabschiedung an sich?
Beides. Der Pakt enthält ein paar fundamentale Botschaften zur Bedeutung internationaler Zusammenarbeit und zur Notwendigkeit, Solidarität und Vertrauen zu stärken. Dennoch, die Arbeit an dem Pakt und der Wille, ihn zu verabschieden, sind das wichtigste Signal. Die Ereignisse am Tag der Verabschiedung waren ein Bekenntnis zum Multilateralismus. Staaten, die nicht in jeder Hinsicht vom Pakt überzeugt waren, haben trotzdem dafür gestimmt. Und die Länder, die ihn am Schluss noch verhindern wollten, angeführt von Russland, waren eine kleine Minderheit. Beim sogenannten Global Call vor dem Summit of the Future haben sich alle Staats- und Regierungschefs, die sich zu Wort gemeldet haben, für einen Konsens ausgesprochen und dafür plädiert, individuelle Interessen zugunsten des gemeinsamen Ziels beiseite zu schieben. Das wurde am Tag, an dem der Pakt beschlossen wurde, bestätigt. 

Die DR Kongo, die die Verhandlungen an diesem Tag geleitet hat, hat das Veto der Neinsager ignoriert. War das ein Erfolg für Afrika?
Das war ein großer Schritt für Afrika und zudem ziemlich klug. Die Gruppe afrikanischer Staaten unter Leitung der DR Kongo hat mit einer Stimme gesprochen, nur Sudan war meines Wissens in der Opposition. Die DR Kongo hat ziemlich schlau eine No-Action-Resolution erwirkt, dass auf die von Russland vorgeschlagenen Änderungen des Pakts nicht eingegangen wird. Das zeigt, dass die afrikanischen Diplomaten ihre Hausaufgaben gemacht und Szenarien durchgespielt haben.

Wo entspricht der Pakt Ihren Erwartungen?
Ich habe vor allem den Bereich der Entwicklungsfinanzierung und der Reform der globalen Finanzarchitektur eng verfolgt. Der Pakt stellt fest, dass die Lücke in der Finanzierung der UN-Nachhaltigkeitsziele SDGs schnell geschlossen werden muss und deshalb Mittel aus allen denkbaren Quellen geschöpft werden müssen. Der erneute Verweis auf das SDG-Ziel, niemanden zurückzulassen, ist ein wichtiges Signal, die internationale Zusammenarbeit dafür zu verstärken. Er geht hier nicht ins Detail, aber nennt die Felder, auf denen gehandelt werden muss, darunter einige, über die in den Vereinten Nationen heftig gestritten wurde, etwa die internationale Zusammenarbeit in der Steuerpolitik oder der Kampf gegen illegitime Finanzflüsse. Ich denke, der Pakt enthält wichtige Anstöße für die nächste UN-Konferenz zu Entwicklungsfinanzierung im kommenden Jahr in Spanien. Zu kurz kommt hingegen die Verschuldungskrise.

Ist das nicht ein Schwachpunkt des Pakts, dass er vor allem viele Forderungen enthält, etwa nach mehr Entwicklungshilfe, die auch bisher schon nicht erfüllt wurden?
Der Pakt sagt tatsächlich nichts dazu, warum schon früher gesetzte Verpflichtungen nicht erfüllt und Ziele nicht erreicht wurden. Das ist eine seiner größten Schwächen, und das gilt nicht nur für die Abschnitte zur Entwicklungsfinanzierung, sondern auch für andere Stellen. Trotzdem ist es ein Erfolg, dass er auf diese wunden Punkte noch einmal hinweist. Sie sind ein guter Anlass, auf der Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung nächstes Jahr in Spanien genau darüber im Detail zu sprechen – und hoffentlich Antworten zu finden auf die Frage, warum es keinen Fortschritt gab. Es hat sich schon früh abgezeichnet, dass im gegenwärtigen politischen Klima der Pakt wahrscheinlich keine konkreten Lösungsvorschläge zur Entwicklungsfinanzierung enthalten würde, sondern vor allem Prinzipien und politische Signale. Auf diese kann nun in Zukunft verwiesen werden. Die geopolitische Lage derzeit ist schwieriges diplomatisches Terrain. Ich beglückwünsche Namibia und Deutschland deshalb, die die Verhandlungen über den Pakt beherzt und zugleich sehr geduldig geleitet haben. 

Also mehr als dieses symbolische Bekenntnis zum Multilateralismus war nicht zu erwarten?
Es ist ein Kontinuum. Es gab zuletzt viel Unmut über die Unzulänglichkeit des multilateralen Systems: das Gefühl von Doppelstandards, die Straflosigkeit mächtiger Staaten, die Unfähigkeit der Vereinten Nationen, Frieden und Sicherheit zu erhalten und Krisen zu lösen. Multipolarität und die fortlaufende Entstehung neuer Blöcke sind die neue Wirklichkeit. Diese Kritik und Entwicklungen können nicht mit einem einzigen Summit of the Future gestoppt werden. Der Summit als Bekenntnis zum Multilateralismus war ein Anfang, auf dem aufgebaut werden kann, etwa bei der Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung und beim Weltsozialgipfel nächstes Jahr. Oder beim High Level Political Forum im Jahr 2027, das Vorschläge machen soll, wie die Agenda 2030 erreicht werden kann, und bei der UN-Generalversammlung ein Jahr später, die die Umsetzung des Summit of the Future bilanzieren soll. Der Pact of the Future ist zugleich eine gute Grundlage für die Agenda des nächsten UN-Generalsekretärs, der hoffentlich eine Frau sein wird. Der Summit und der Pact sind die Saat, die wir nun wässern und pflegen müssen, so dass etwas daraus wird. 

Trotzdem: Hätte der Pakt hier und da nicht etwas konkreter sein müssen? Warum enthält er nicht den Vorschlag, dass Afrika künftig zwei ständige Sitze im UN-Sicherheitsrat bekommt, wie es ja immerhin bereits die UN-Botschafterin der USA angeregt hat?
Ich finde, was der Pact zur Reform des UN-Sicherheitsrats sagt, ist das Beste, das wir in den vergangenen 30 Jahren bekommen haben. Er nennt die Prinzipien, nach denen über eine gerechte Erweiterung des Rates verhandelt werden soll. Er benennt klar die Ungerechtigkeit, die Afrika hier bisher widerfahren ist, und sagt, dass der Kontinent bevorzugt behandelt werden muss. Das ist eine gute Grundlage, um jetzt weiter darüber zu sprechen, was das heißen könnte. Und diese Diskussion muss nicht nur im Sicherheitsrat stattfinden, sondern auch in der Afrikanischen Union. Dort muss schnell fair und demokratisch geklärt werden, wie damit umgegangen werden soll.

Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.

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