In ihrem bisher größten Fall in der Rückführung von Potentatengeldern, dem sogenannten Asset Recovery, ist die Schweiz ein Stück weitergekommen: Insgesamt 800 Millionen US-Dollar wurden im Rahmen des Strafverfahrens gegen Gulnara Karimova, die Tochter des verstorbenen usbekischen Präsidenten Islam Karimov, eingefroren. Davon hat die Schweiz bisher gut die Hälfte (340 Millionen Franken) eingezogen, die nun Schritt für Schritt an die usbekische Bevölkerung zurückerstattet werden.
Damit das Geld nicht erneut in korrupten Strukturen versickert, wurde 2022 in einem Abkommen zwischen der Schweiz und Usbekistan der Uzbekistan Vision 2030 Fund geschaffen. Daraus sollen Projekte finanziert werden, etwa zur Gesundheitsversorgung, die von verschiedenen UN-Einrichtungen verwaltet werden. In einer Medienmitteilung des Schweizerischen Außenministeriums (EDA) heißt es: „Der im Fall Usbekistan angewendete Mechanismus gewährleistet eine transparente und effiziente Verwaltung der zurückerstatteten Gelder, welche für Projekte eingesetzt werden, die der usbekischen Bevölkerung zugutekommen.“
So wurden dieses Frühjahr einige Entbindungsstationen mit modernen Geräten ausgestattet. Als erstes wurde die Station in Almalyk, rund 60 Kilometer von der Hauptstadt Taschkent, fertiggestellt.. Laut dem EDA sollen dadurch Risiken im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt verringert werden. Langfristig sollen alle 230 öffentlichen Entbindungsstationen des Landes renoviert und mitmoderner medizinischer Technik wie Inkubatoren, Elektrokardiogrammen, Infusionspumpen und Beatmungsgeräten ausgestattet werden. Das Projekt ist mit 43,5 Millionen US-Dollar dotiert.
Probleme gab es mit Geldern aus Nigeria und Kasachstan
Die Schweiz nimmt beim Asset Recovery eine Vorreiterrolle ein. Weltweit führen nur wenige Länder Potentatengelder über die Finanzierung von Projekten zurück. Probleme gab es indes in der Vergangenheit in Nigeria (2005) und in Kasachstan (2012), wo die Weltbank mit der Verwaltung der rückgeführten Gelder beauftragt war. In Kasachstan unterstützte die Weltbank mit der zweiten Tranche der rückgeführten Gelder ein Jugendprojekt des staatlichen Jugendkongresses, dessen Präsidentin die Tochter des früheren kasachischen Präsidenten ist. Die Schweiz hatte das von der Weltbank ausgesuchte Projekt trotzdem bewilligt.
Im Fall Usbekistan hat die Schweiz mit dem UN-Treuhandfonds einen neuen Weg gewählt. „Ich bin zuversichtlich, dass der eingeschlagene Mechanismus erfolgversprechend ist“, sagt der Wirtschaftsjournalist Balz Bruppacher, der ein Buch über den Umgang der Schweiz mit Potentatengeldern verfasst hat. „Die Rückerstattung scheint gut zu verlaufen – langsam, aber sorgfältig.“
Damit hebe sich die Schweiz von anderen Ländern ab wie etwa Belgien, das ebenfalls Vermögenswerte im Zusammenhang mit Gulnara Karimova eingefroren hat, sagt Bruppacher. Dort hatte die Regierung entschieden, die Hälfte der beschlagnahmten Vermögenswerte (108 Millionen US-Dollar) der eigenen Staatskasse zukommen zu lassen. Die andere Hälfte wurde ohne Auflagen oder Sicherheitsvorkehrungen an die Regierung Usbekistans überwiesen – ein Vorgehen, das den Prinzipien des Global Forum for Asset Recovery für eine verantwortliche Rückgabe von Vermögenswerten widerspricht.
Die Bundesanwaltschaft hat im Herbst 2023 Anklage gegen Karimova vor dem Bundesstrafgericht erhoben. Ihr wird vorgeworfen, zwischen 2001 und 2013 eine kriminelle Organisation namens „Office“ aufgebaut und geleitet zu haben, die aus mehreren Dutzend Personen und zahlreichen Unternehmen bestand. In der Schweiz soll die Organisation Einnahmen aus ihren kriminellen Machenschaften auf Bankkonten und in Immobilien versteckt haben.
Insgesamt soll Karimova von internationalen Telekomkonzernen Schmiergelder in der Höhe von einer Milliarde US-Dollar für die Vergabe von Mobilfunklizenzen in Usbekistan angenommen haben. In ihrer Heimat wurde sie bereits 2020 zu 13 Jahren Haft verurteilt, die sie seitdem absitzt. In der Schweiz wurde noch kein rechtskräftiges Urteil gegen sie gefällt.
Werden illegale Vermögenswerte aufgedeckt, leistet die Schweiz in der Regel rasch Unterstützung bei der Rückführung. Deutlich schlechter schneidet sie jedoch bei der Identifikation solcher Gelder ab. Erst vor fünf Jahren hat die Regierung unter internationalem Druck eine Strategie gegen Korruption verabschiedet. In einer kürzlich veröffentlichten Analyse der Eidgenössischen Finanzkontrolle erhält diese jedoch ein schlechtes Zeugnis. So würden wichtige Korruptionsrisiken im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Geldwäsche ausgeklammert. So seien bestimmte Dienstleistungen bis heute nicht vom Geldwäschereigesetz erfasst, insbesondere der Kauf und Verkauf von Immobilien oder private Anwaltstätigkeiten. Transparency International Schweiz schreibt dazu: „Diese Schlupflöcher schaden sowohl der Bevölkerung der Staaten, aus denen die illegalen Gelder stammen, als auch der Integrität und dem guten Ruf der Schweiz.“
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