„Viele NGOs erleben, dass die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit angezweifelt wird“

Fünf Fragen
NGOs haben oftmals wenig Geld, das Personal ist knapp und sie erfahren Druck und Gegenwind. Häufig überträgt sich solcher struktureller Stress auf die Arbeitsbeziehungen. Hier setzt Luise Steinwachs mit ihren Coachings an. Sie macht sich aktuell aber auch Gedanken, wie das Besondere an der Arbeit von international agierenden Nichtregierungsorganisationen sichtbarer gemacht werden könnte.

Luise Steinwachs ist Soziologin, Supervisorin und Moderatorin für Organisationen im Bereich internationale Zusammenarbeit, Frieden und Menschenrechte.

Was beschäftigt Sie gerade?
Mich beschäftigt, wie ich das Besondere an der Arbeit von international agierenden Nichtregierungsorganisationen sichtbarer machen kann. Da gibt es nicht nur die oftmals prekäre finanzielle Situation bei dünner Personaldecke, sondern auch die permanente Frage nach der eigenen Wirksamkeit. Oft fehlen klare Erfolge. Viele NGOs erleben auch, dass die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit von Politik und Gesellschaft angezweifelt wird, da die globalen Themen, denen sie sich widmen, als nachrangig erachtet werden. Schlimmstenfalls müssen sie mit deutlichem Gegenwind umgehen. Wenn weiter öffentliche Mittel für gemeinwohlorientierte Organisationen gekürzt werden, trifft es sie und ihre globalen Partnerorganisationen hart. 

Inwiefern können Sie daran als Coach etwas ändern?
Ich komme ins Spiel, wenn es beispielsweise darum geht, innerhalb einer Organisation Konflikte konstruktiv zu lösen, Kommunikation (wieder-) herzustellen oder die Rollen im Team zu klären. Häufig überträgt sich struktureller Stress auf die Arbeitsbeziehungen, bringt Mitarbeitende verstärkt in Konkurrenz und Vereinzelung statt in Kooperation und Solidarität. Daran kann im Coaching gearbeitet werden. Ich begleite auch Einzelpersonen, beispielsweise Führungskräfte, die ein unabhängiges Gegenüber zum reflektierenden Gespräch brauchen.

Haben Angestellte von NGOs andere Probleme als etwa in der freien Wirtschaft?
Wer im gemeinwohlorientierten Bereich arbeitet, tut dies oft, weil er oder sie die Arbeit als besonders sinnstiftend und gesellschaftlich notwendig erlebt. Daher fällt es vielen schwer, sich von der Arbeit abzugrenzen – sie fühlen sich quasi immer im Dienst und haben den Eindruck, noch mehr tun zu müssen. Gleichzeitig werden Angestellte gerade von kleineren NGOs oft nicht gut bezahlt oder haben befristete Arbeitsverträge – das führt zu Unsicherheit und zusätzlichem Druck. 

Kennen Sie dieses Berufsfeld auch aus eigener Erfahrung?
Ja! Ich war viele Jahre in der internationalen Zusammenarbeit tätig, unter anderem in Tansania, sowohl als Beraterin für staatliche und nichtstaatliche Organisationen als auch als Führungskraft. Ich hatte selbst das Privileg, ein Coaching zu bekommen. Daraus entstand die Idee, als Supervisorin und Coach diejenigen zu begleiten, die sozusagen früher meine Kolleginnen und Kollegen waren. Ich verstehe meine Arbeit als meinen konkreten Beitrag zur gesellschaftlichen Transformation hin zu mehr Gerechtigkeit und Frieden.

Apropos persönliche Abgrenzung: Was tun Sie, um „abzuschalten“?
Ich fahre zusammen mit meinem Mann viel raus aufs Land, in die Natur. Auch gärtnere ich sehr gerne. Und ich bin seit vielen Jahren Mitglied in der Sing-Akademie zu Berlin. Das gemeinsame Singen, also das Zusammenspiel von Einzelstimme und Gesamtklang, ist für mich immer wieder eine energetisierende und wegweisende Erfahrung.

Das Gespräch führte Barbara Erbe.

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erschienen in Ausgabe 4 / 2025: Zeit für Widerspruch
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