Kommission für eine bessere Welt?

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), Initiator der neuen Nord-Süd-Kommission, mit dem südafrikanischen Finanzminister Enoch Godongwana (links) und Weltbankpräsident Ajay Banga (rechts) im Juli 29025 beim G-20-Finanzministertreffen in Ballito, Südafrika.
Getty Images/Per-Anders Pettersson
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), Initiator der neuen Nord-Süd-Kommission, mit dem südafrikanischen Finanzminister Enoch Godongwana (links) und Weltbankpräsident Ajay Banga (rechts) im Juli 29025 beim G-20-Finanzministertreffen in Ballito, Südafrika.
Entwicklungspolitik
Deutschland werde eine neue Nord-Süd-Kommission zur Bearbeitung globaler Probleme gründen, heißt es im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Die Debatte darüber gewinnt an Fahrt. Manche meinen, schon der Name weise in die falsche Richtung.

Der Stein ist im Rollen. Beim G20-Treffen der Industrie- und Schwellenländer im Juli in Südafrika kündigte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) die Gründung einer Nord-Süd-Kommission erstmals auf internationaler Bühne an. In diesen Zeiten könne keine Krise ohne Zusammenarbeit der Länder im globalen Süden und globalen Norden gelöst werden, sagte er. Die Kommission solle einen neuen, partnerschaftlichen Dialog etablieren. 

Die Frage, ob der globale Süden ausgerechnet auf Deutschland wartet, um einen solchen Dialog zu etablieren, beantworten einige Entwicklungsexperten skeptisch. So habe auch in der Vergangenheit der Ansatz des Westens, globale Probleme multilateral zu bearbeiten, die Länder des globalen Südens zu wenig einbezogen. Andere, wie Stephan Klingebiel vom Institut für Entwicklung und Nachhaltigkeit (IDOS), begrüßen es, dass der SPD-Vorstoß Eingang in den Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot gefunden hat. Der Initiator Lars Klingbeil habe damit ein Signal gesetzt in einer Zeit, in der nicht viele OECD-Geberländer mit programmatischen Ideen oder einer starken entwicklungspolitischen Präsenz glänzten. „Die Stimme eines Finanzministers und Vizekanzlers wird gehört“, sagt Klingebiel. 

Langwierige Abstimmung

Allzu eilig scheint es die Koalition mit dem Start der Kommission allerdings nicht zu haben. In den Sommermonaten wurde zunächst entschieden, dass das Entwicklungsministerium (BMZ) die Federführung übernimmt. „Die konkrete Ausgestaltung der neuen Nord-Süd-Kommission ist noch nicht abgeschlossen“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Mandate und Rollen der Ressorts würden gegenwärtig innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Das Bundesfinanzministerium lässt wissen, es bringe sich eng in die Vorbereitungsarbeiten ein. 

Die bei dem Vorstoß Pate stehende erste Nord-Süd-Kommission (Independent Commission on International Developmental Issues) wurde Ende der 1970er Jahre vom damaligen Weltbank-Präsidenten Robert McNamara im Kontext des Ost-West-Konflikts ins Leben gerufen. Ihr Vorsitzender, Ex-Bundeskanzler Willy Brandt, schrieb im Vorwort des Abschlussberichts 1980, die Probleme der bevorstehenden Jahrzehnte seien nicht „in einem gegnerischen System von Gewinnern und Verlierern“ zu überwinden, sondern „auf der Basis von menschlicher Solidarität und internationaler Kooperation von allen“. 

Alte Denkmuster aufbrechen

Heute sei genau dieses Konzept der globalen Solidarität in der Krise, sagt Stephan Klingebiel. Der Rückzug der USA aus der Entwicklungszusammenarbeit gehe einher mit einem Angriff auf den Multilateralismus, dessen Organisationen in ihrer Handlungsfähigkeit geschwächt oder isoliert seien. Es fehle an Vorstellungskraft, wie in dieser Situation Strukturen globaler Regierungsführung und der Sicherheit neu definiert werden könnten – weit über die Entwicklungspolitik hinaus. Genau das sollte laut Klingebiel das Mandat sein für die neue Kommissionbestehend aus einer Gruppe gleichgesinnter Länder aus verschiedenen Weltregionen mit dem gemeinsamen Interesse, globale Krisenfelder anzugehen. Eine Initiative außerhalb der gewohnten Strukturen wie der G20 oder der UN könne alte Denkmuster besser aufbrechen. 

Klingebiel und andere Fachleute plädieren dafür, gleich zu Anfang eine Art international besetzte Vorkommission einzurichten, die Mandat, Design und Teilnehmerkreis der eigentlichen Kommission skizzieren sollte. Es gibt aber auch Kritik an der Bezeichnung „Nord-Süd-Kommission“, weil geopolitisch weder der Norden noch der Westen noch der Süden homogene Zonen seien. So empfiehlt der Dachverband Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe Venro, einen anderen Namen zu suchen, um die bipolare Perspektive zu überwinden. „Die aktuelle Weltordnung lässt sich nicht mehr mit politischen Begriffen in Norden und Süden unterteilen“, heißt es in einem Positionspapier. Entsprechend sollte der Name „eine gemeinsame, nachhaltige Zukunft in den Mittelpunkt stellen“ und „eine Allianz beschreiben, die sich auf Augenhöhe für Frieden, Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Teilhabe für alle“ einsetze.

Erste Empfehlungen Ende 2026

Venro sieht den Mehrwert der Kommission darin, über Impulse für die Zukunft der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung nachzudenken. Dazu sollte sie möglichst bis Ende 2026 erste Empfehlungen formulieren Dann bleibe ausreichend Zeit, um in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode die Ergebnisse umzusetzen und in internationale Verfahren einzubringen.

Finanzminister Klingbeil schwebt ein Teilnehmerkreis aus unabhängigen Fachleuten aus Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Forschung aus allen Teilen der Welt vor, die regelmäßig zusammenkommen sollten. Für übergeordneten Ziel, gemeinsam neue Nord-Süd-Antworten auf Probleme einer multipolaren Welt zu finden, sollten die Jugend und die Frauen stärker vertreten sein als zu Zeiten von Willy Brandt.

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