Entwicklungsrunde vor dem Scheitern

Die Verhandlungen über eine weitere Öffnung des Welthandels sind blockiert. Der Direktor der Welthandelsorganisation WTO, Pascal Lamy, hat Ende April in Genf gewarnt, die 153 Mitgliedsstaaten würden mit dem bisherigen Verfahren keine Einigung finden. Nun hat die Suche nach Plan B begonnen - und Belange der Entwicklungsländer sind zum Randthema der sogenannten Entwicklungsrunde geworden.

Das zeigt schon der Streit über Zollsenkungen für Industriegüter. Hier ist bereits vereinbart, dass Entwicklungsländer, die höhere Zölle haben, diese auch stärker abbauen. Doch die USA fordern zusätzlich, dass Indien, Brasilien und China ihre Zölle in den Sektoren Chemie, Elektronik und Maschinenbau fast auf Null senken. Dieser Streit der USA mit aufstrebenden Konkurrenten ist laut Pascal Lamy die Ursache des Stillstands. Es gibt aber zwei weitere: Die USA wollen ähnlich wie die Europäer den Dienstleistungssektor im Süden - etwa Banken und Versicherungen - weiter öffnen und möglichst viele Subventionen für die eigenen Landwirte beibehalten.

Autor

Bernd Ludermann

ist Chefredakteur von "welt-sichten".

Darüber sind die Entwicklungsländer seit langem frustriert. Jetzt sehen manche ihre Ernährungssicherheit in Gefahr: Sie hatten nach dem Handelsabkommen von 1994 den Zollschutz für die Landwirtschaft abgebaut in der Erwartung, hochwertige Agrargüter exportieren und nötigenfalls billige Nahrung importieren zu können. Als Folge konkurrieren ihre Bauern mit subventionierten Nahrungsmitteln aus dem Norden. Mit dem jüngsten Preisanstieg für Nahrungsmittel steigt nun die Importrechnung, während einheimische Erzeuger wenig profitieren, da für sie auch Dünger und Saatgut teurer werden. Länder in dieser Lage bestehen darauf, ihre Landwirtschaft besser schützen zu dürfen.

Wie fern eine Einigung über das Gesamtpaket ist, zeigen Sondierungen, ob man jetzt zunächst den Konsens zu Einzelfragen festschreiben oder die Märkte nur für Exporte der ärmsten Länder öffnen kann. Beides ist wünschenswert, doch müssten dafür die Industrie- und Schwellenländer ihre Interessen zurückstellen. Eher werden die Verhandlungen scheitern. Das hilft armen Ländern nicht - die Industrieländer verfolgen fragwürdige Ziele wie die Öffnung der Dienstleistungsmärkte längst wirksamer mit bilateralen Abkommen. Es wird zum Problem, wenn auch die WTO als Institution weiter beschädigt wird, denn sie bietet trotz ihrer Mängel die einzige Chance, handelspolitische Willkür einzudämmen. Der Stillstand in Genf zeigt zudem, wie gering die Bereitschaft zur globalen Kooperation ist, und verringert sie weiter. Da die Handelsregeln im Sinne der Regulierung der Finanzmärkte und des Klima- und Umweltschutzes reformiert gehören, ist das eine sehr schlechte Nachricht.

 

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erschienen in Ausgabe 6 / 2011: Wir konsumieren uns zu Tode
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