Schwierige Zeiten für Christen in der arabischen Welt

In Syrien sorgen sich Bischöfe und Patriarchen nur um die Zukunft der jeweils eigenen Kirche. Das schade der ökumenischen Solidarität und der Nothilfe für Kriegsopfer, sagt Habib Badr, Leitender Pfarrer der Nationalen Evangelischen Kirche in Beirut. Die arabischen Muslime müssten indes die Frage beantworten, ob es in den islamischen Staaten des Arabischen Frühlings Platz für Christen geben wird.

Wie stehen die Christen in Syrien drei Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs zum Regime?
30 Jahre lang hatten die Christen eine gute Beziehung zum Regime, das ihnen Sicherheit garantierte. Zu Anfang der Revolution vor drei Jahren hatten sie Schwierigkeiten, eindeutig in Opposition zu Assad zu treten. Aber Schritt für Schritt haben sich einige von ihnen dem Syrischen Nationalrat angeschlossen. Heute sind viele enttäuscht über das Verhalten der gespaltenen Opposition. Und die radikalen Fundamentalisten, die in Syrien agieren, machen allen von uns große Angst. Ihr Ziel ist nicht Syrien zu reformieren sondern zu islamisieren, wie wir es in Ägypten, Tunesien oder in Libyen erleben können. In Syrien gibt es so viele verschiedene Positionen gegenüber dem Regime. Die Christen in Syrien wissen nicht, auf welcher Seite sie stehen sollen. Viele von ihnen sagen gar nichts mehr, andere unterstützten das Regime stillschweigend und viele versuchen auszuwandern. Ich gehe davon aus, dass der Krieg noch lange dauern wird.

Der Generalsekretär des Middle East Council of Churches, Michel Jalakh, hat gesagt, die islamistischen Rebellengruppen planten insgeheim, die Christenheit in Syrien und in der ganzen Region auszulöschen. Sehen Sie das auch so?
Vielleicht planen das nicht alle Rebellen, aber einige wohl schon.

Krisenzeiten sind oft auch Zeiten des Glaubens. Gilt dies auch für die Christen in Syrien heute?
Wenn man wachsenden Glauben so definiert, dass Menschen zum Glauben zurückkehren, dann trifft dies auf die syrischen Christen sicher zu. Es ist aber schwer zu sagen, ob das auch mit wachsenden Mitgliederzahlen in den Kirchen verbunden ist. Im Libanon konnten wir in den ersten Jahren des Bürgerkriegs keine neuen Mitglieder verzeichnen. Das kam erst später.

Und wie steht es um die Solidarität unter Christen? Wächst sie angesichts der Not?
Es gibt drei Ebenen von Solidarität. Auf der Ebene des Volkes, wo sich Solidarität in gemeinsamem Beten und in einem Gemeinschaftssinn äußern, arbeiten die verschiedenen Gemeinden zusammen. Auch unter christlichen Politikern und Kirchenlaien gibt es viel Solidarität über die Konfessionsgrenzen hinweg. Aber auf der Ebene der Kirchenführer ist es sehr schwierig, sie überhaupt an einen Tisch zu bringen. Die meisten Bischöfe und Patriarchen sorgen sich nur um die Zukunft ihrer jeweils eigenen Kirche und das führt dazu, dass man noch weniger solidarisch mit den anderen ist.

Beeinträchtigt das die Zusammenarbeit mit internationalen Hilfsorganisationen?
Bei den Hilfsorganisationen herrscht große Verwirrung, an wen man eigentlich sein Geld schicken soll. Dieser Mangel an Solidarität auf der ökumenischen Ebene führt zu einem großen Chaos bei der Verteilung von Hilfsgeldern.

Es gibt aber auch ein Verständnisproblem zwischen den westlichen Kirchen und den syrischen Christen. Keiner kann verstehen, wie die Christen in Syrien immer noch Assad unterstützen können.
Der syrische Aufstand wurde anfangs in der ganzen Welt als ein Aufstand gegen eine Diktatur, ein autoritäres Regime verstanden. Der Arabische Frühling brachte Hoffnung und nahm den Christen die Angst. Für den Westen war der Arabische Frühling ein Schrei nach Freiheit und Demokratie. Für die Christen in Syrien war es ein Versuch, die Situation der Kirche im Land zu verbessern. Nachdem sich die Ereignisse gewendet hatten, wurde die Revolution gewaltsam, blutig und kam unter die Kontrolle der Fundamentalisten. Christen in Syrien haben mehr Angst vor den Fundamentalisten als vor dem Assad-Regime. Sie sagen jetzt zu ihren Partnern im Westen: Wenn ihr gegen das Regime plädiert, schadet ihr uns. Es ist ein Dilemma.

Was kann getan werden?
Westliche Kirchen müssen lernen, den Fundamentalisten gegenüberzutreten, und müssen wissen, wie hoch der Preis dafür ist. Deshalb müssen die arabischen Christen die Islamisten fragen: Wie werdet ihr mit Nicht-Muslimen umgehen? Wird es für uns einen Platz in einem islamischen Staat geben? Dann wird der Westen wissen, wie er sich den Fundamentalisten gegenüber verhalten muss. Die Muslime müssen im Demokratisierungsprozess die Frage beantworten: Wärt ihr im Zweifelsfall auch bereit, euch von einem Christen oder Juden, von einem Nicht-Muslim, regieren zu lassen? Demokratie fragt nicht nach Religion. 

Das Gespräch führte Katja Dorothea Buck

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erschienen in Ausgabe 2 / 2014: Neue Helden der Arbeit
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