Rückzug aus manchen der ärmsten Länder?

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Im Camp Zaatari im Libanon für Flüchtlinge aus Syrien zapft ein Mann Trinkwasser. In der Anlage steckt auch deutsche Entwicklungshilfe.

Kooperationsländer
Anfang 2020 sollen in einem zweistufigen Verfahren Länder von der Liste der deutschen Entwicklungspartner gestrichen werden. Bundestagsabgeordnete befürchten, dass dabei die wirtschaftlich am wenigsten entwickelten Länder unter die Räder kommen.

Es ist die erste große Verkleinerung seit dem Jahr 2008, als in der rot-grünen Koalition die Zahl der Kooperationsländer mit umfassenden Länderprogrammen von über 80 auf 58 verringert wurde. Damit kam Deutschland den Empfehlungen des Industrieländerclubs OECD nach, der seinen Mitgliedern im Sinne einer wirksamen Arbeitsteilung empfohlen hatte, das jeweilige Know-how auf weniger Partnerländer zu konzentrieren. Der OECD-Ausschuss für Entwicklungshilfe lobte in seinem Gutachten zur deutschen Entwicklungszusammenarbeit (Peer Review) im Jahr 2010 die Bundesregierung noch dafür, dass diese Änderung nicht zuungunsten der ärmsten und einkommensschwächsten Länder ausgefallen war.

Der Kreis der Kooperationsländer beschränkt sich heute nicht nur auf 50 Partnerstaaten, mit denen Länderprogramme vereinbart werden, die alle Instrumente der bilateralen staatlichen Zusammenarbeit umfassen können. Hinzu kommen 30 weitere Kooperationsländer im Rahmen thematischer und regionaler Programme etwa zur Krisenprävention oder zum Klimaschutz. Dazu gehören die Länder des Programms Fragile Staaten Westafrika (Côte d’Ivoire, Sierra Leone, Liberia, Guinea) sowie die Krisenländer Somalia und Zentralafrikanische Republik.

Verstärkt gefördert hat Deutschland in den vergangenen Jahren zudem aus sicherheitspolitischen Motiven und im Rahmen der Flüchtlingspolitik Regionalprogramme in Nordafrika mit Ländern wie Algerien, Libyen und Tunesien und im Nahen Osten mit Ländern wie dem Irak, Jordanien, Libanon und Syrien. Nicht wenige davon gehörten in den vergangenen Jahren zu den 20 Topempfängern bilateraler staatlicher Hilfe. Von den 50 Staaten, in denen das Entwicklungsministerium mit Länderprogrammen tätig ist, zählt etwa die Hälfte zur Gruppe der ärmsten Länder, davon liegen weniger als die Hälfte in
Afrika.

Es geht um Bedürftigkeit, aber auch um politische Interessen

Im Oktober hatte das BMZ den Entwicklungsausschuss des Bundestags über die geplante Reform informiert, ohne jedoch mitzuteilen, welche Länder voraussichtlich gestrichen werden sollen. Demnach soll die bisherige Kooperation in einem ersten Schritt anhand verschiedener Kriterien wie der Bedürftigkeit des Landes, der Regierungsführung und der Signifikanz des deutschen Beitrags im Verhältnis zu anderen Gebern geprüft werden. In einem zweiten Schritt soll die Zusammenarbeit anhand von strategischen Kriterien beurteilt werden. Dabei geht es um geopolitische Interessen, die Qualität der bisherigen Zusammenarbeit, die Relevanz internationaler Verpflichtungen sowie die Geschichte der Beziehungen zwischen beiden Ländern. Am Ende des Auswahlverfahrens will die Leitung des Ministeriums entscheiden, welche Länder auf der Liste bleiben sollen und welche nicht.

Während die Entscheidung formal dem BMZ obliegt, herrscht unter Abgeordneten dennoch Unmut, dass sie nicht eingebunden sind. So fordert Helin Evrim Sommer (Linke) nachvollziehbare Kriterien. Es sei unklar, welche Voraussetzungen die Partnerländer nach welcher Gewichtung künftig erfüllen sollten. Kritisch sieht sie zudem die zunehmende Konzentration auf sogenannte Reformchampions wie im Compact with Africa. Die Zusammenarbeit mit armen Partnerländern sei dagegen chronisch unterfinanziert. Sie sehe die Gefahr, dass weniger der menschliche Bedarf an öffentlicher Daseinsvorsorge ins Gewicht falle, sondern stärker die Förderung privatwirtschaftlicher Interessen in den Partnerländern.

Die Grünen halten es für unabdingbar, die Kooperation mit Afrika stärker in den Vordergrund zu rücken. Grundsätzlich müsse die Bedürftigkeit entscheiden und nicht die Interessenslage von Außenwirtschafts- und Sicherheitspolitik. Auch müsse es Gewissheit geben, dass ein anderer Partner aus der Gebergemeinschaft die deutschen Aufgaben übernehme, wenn ein Land aus der Liste falle.

Die Sorge, dass die ärmsten Länder durch das Raster fallen, zieht sich durch alle Fraktionen. Selbst der Koalitionspartner SPD sagt harte Gefechte mit dem CSU-geführten Ministerium voraus. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sascha Raabe befürchtet, dass überwiegend Partnerstaaten mit mindestens mittlerem Einkommen zum Zug kommen. Die Verkleinerung von insgesamt 80 auf 50 Länder dürfe aber nicht in Stein gemeißelt sein, meint er: Die Zusammenarbeit mit der Gruppe der ärmsten Länder und der fragilen Staaten dürfe nicht eingestellt werden.

Die FDP schließlich hält das Vorhaben, die Liste zu straffen, grundsätzlich für angemessen. Sie plädiert ohnehin für mehr multilaterale als zwischenstaatliche Hilfe, weil diese besser koordiniert sei und nicht jedes Land etwas anderes mache. Im Verhältnis zu den Schwellenländern sollte die Überarbeitung der Länderliste nach Meinung des entwicklungspolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Hoffmann, die Gelegenheit sein, die Zusammenarbeit mit China und Indien auf den Prüfstand zu stellen und vor allem „mit dem großen Manko der Despotenhilfe“ aufzuräumen. Das gelte für Brasilien ebenso wie für Kamerun oder die DR Kongo.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2020: Meinungs- und Pressefreiheit
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