Von Mali nach Niger?

Kay Nietfeld/dpa/picture alliance
Bundeswehrsoldaten im Camp Castor in Mali. Deutschland ist an der EU-Trainingsmission in Mali und an der UN-Mission Minusma beteiligt.
Brüssel
Die Europäische Union plant neue Militärmissionen in Westafrika. Auf diese Weise will sie Russlands wachsendem Einfluss in der Region begegnen. Ob das gelingt, hängt laut Fachleuten nicht zuletzt von Frankreich ab.

Die junge, der Europäischen Union zugewandte Demokratie Seglia wird zunehmend von ihrem aggressiven Nachbarn Kronen bedrängt – militärisch, aber auch mit „hybrider Kriegführung“ wie der Instrumentalisierung von Migrationsbewegungen, Cyberattacken und antiwestlicher Propaganda. Brüsseler Diplomaten, Vertreterinnen der EU-Mitglieder sowie das Militär beraten, wie Europa darauf reagieren soll. Dieses Planspiel mit dem Namen „Integrated Resolve“ (etwa „Ganzheitliche Lösung“) bereitet die EU laut einem Bericht des Nachrichtendienstes „EUobserver“ derzeit vor. Demnach ähnelt die Fiktion ziemlich deutlich der Lage im westafrikanischen Sahel, wo Länder wie Mali zunehmend unter den Einfluss Russlands geraten, das sich militärisch in Konflikte einmischt und Stimmung gegen Europa macht.

Das Planspiel, das im September durchgeführt werden soll, wirft ein Licht darauf, dass die Europäische Union die Lage im Sahel als zunehmend instabil und bedrohlich auch für Europa einschätzt – und dass sie ihre Felle zugunsten Russlands davonschwimmen sieht. Die europäischen Militärmissionen in Mali – Barkhane, Takuba und der Trainingseinsatz EUTM – sind de facto gescheitert, spätestens seit die malische Putschregierung russische Söldner der Wagner-Gruppe eingeladen hat, für Sicherheit zu sorgen. 

Die EU sieht ihren Ruf bedroht

Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) empfiehlt deshalb, jegliche Zusammenarbeit mit der malischen Armee bis auf weiteres zu beenden. In einer „Strategischen Bewertung“ der Trainingsmission EUTM von Ende Mai heißt es, Bedingung für eine weitere Zusammenarbeit sei unter anderem „die Abwesenheit jeglicher Einmischung von mit Russland verbundenen Truppen“, um den „Ruf der EU nicht zu schädigen und ihre Glaubwürdigkeit zu wahren“.

Brüssel will sich aber nicht komplett aus der Region zurückziehen – im Gegenteil: Der EAD schlägt vor, möglichst schnell in Malis Nachbarland Niger sowie mittelfristig auch in Burkina Faso Trainingsmissionen nach dem Vorbild von EUTM einzurichten. Um ein Übergreifen von Konflikten und Instabilität auf den Golf von Guinea zu verhindern, plädiert der EAD zudem für einen „begrenzten militärischen Fußabdruck“ der EU in einem westafrikanischen Küstenstaat.

Niger hat nach Logistik gefragt, Brüssel will aber mehr

Laut dem EAD-Papier hat die Regierung von Niger in Brüssel bereits nach der Einrichtung eines hochwertigen Logistik- und Wartungszentrums für ihre Armee gefragt. Die EU sollte aber darüber hinaus auf eine echte Trainingsmission bis hin zu einem „umfassenden Militäreinsatz“ hinarbeiten, „um die Streitkräfte des Niger im Kampf zu begleiten“. Gleiches empfiehlt der EAD perspektivisch für Burkina Faso. Dort müsse die EU der Regierung ein Angebot machen, damit diese „auf andere Partnerschaften verzichtet“ – womit ausdrücklich Russland gemeint ist. Zugleich müsse die EU gegen von Russland gesteuerte Kampagnen zur Desinformation vorgehen: „Strategische Kommunikation“ sei unerlässlich, um die Destabilisierung lokaler Autoritäten im Niger und in Burkina Faso sowie das Vordringen einer antieuropäischen Stimmung zu verhindern.

Volker Hauck, sicherheitspolitischer Experte in der Denkfabrik ECDPM zur europäischen Entwicklungspolitik, sieht das Risiko, dass sich mit den angedachten neuen Missionen im Niger und in Burkina Faso ein Scheitern wie in Mali wiederholt. Das Problem in Mali sei gewesen, dass die Regierung dort vor allem Frankreichs Auftreten als zunehmend paternalistisch wahrgenommen habe. Er sei nicht prinzipiell dagegen, dass sich die EU im Sahel militärisch engagiere, sagt Hauck. Aber Brüssel müsse eigene Interessen zurückstellen und mehr darauf hören, welche Art der Zusammenarbeit etwa vom Niger gewünscht sei. Schwierig sei allerdings, dass es dort in der politischen Führung und in der Bevölkerung unterschiedliche Interessen und Ansichten gebe.

Dass der EAD das Motiv, Russlands Einfluss zurückzudrängen, so stark betont, wertet Hauck als Versuch, die Zustimmung der EU-Mitglieder zu neuen Militäreinsätzen zu erleichtern. Der EU gehe es vor allem darum, die Konflikte im Sahel einzudämmen und die Lage möglichst zu stabilisieren. Dazu wären nach Ansicht von Hauck allerdings langfristig konzipierte Missionen nötig, in denen Militär­einsätze eng mit zivilem Engagement, also mit humanitärer, entwicklungspolitischer und friedensfördernder Arbeit verknüpft sind. Zu solchen Missionen sei die EU derzeit aber nicht ausreichend in der Lage.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2022: Das Zeug für den grünen Aufbruch
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