BMZ-Studie zu Mikrokrediten in Kambodscha

picture alliance/AP Images/Heng Sinith
Reisernte in Samroang Tiev nahe der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh 2019. Manche Bauern verlieren infolge zu hoher Schulden ihr Land.
Mikrokredite
Schon länger werden Mikrokredite von Menschenrechtlern kritisiert. Die Bundesregierung hat die Lage in Kambodscha untersuchen lassen. Das Ergebnis: Auch sie sieht Probleme, weist pauschale Kritik aber zurück.

Die Menschenrechtsorganisation Fian wirft der Bundesregierung vor, mit Millionen Euro einen Sektor zu fördern, in dem mit menschenrechtlich zweifelhaften Praktiken Geschäfte mit der Armut gemacht und Schuldner gezwungen werden, ihr Land zu verkaufen. Das Entwicklungsministerium (BMZ) hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben und weist einseitige Schuldzuweisungen zurück: „Auch wenn die Auswirkungen der Überschuldung im Einzelfall drastisch sein können und viele menschenrechtsrelevante Aspekte berühren, wird die vereinfachte Argumentationskette, dass Mikrofinanzinstitutionen (MFI) systematisch für Menschenrechtsverletzungen in Kambodscha verantwortlich sind, vom BMZ nicht geteilt“, sagt ein Sprecher auf Anfrage.

Deutschland ist in der Förderung von Mikrokrediten – Darlehen an Haushalte in typischerweise dreistelliger Höhe – vor allem in Indien, Pakistan und einigen afrikanischen Ländern aktiv. In Kambodscha habe die KfW Entwicklungsbank seit 2015 rund 30 Millionen Euro in zwei Finanzinstitute und mehrere Geldmarktfonds eingezahlt, seit 2018 aber keine Zusagen mehr gegeben, so das BMZ. Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft DEG habe Mikrofinanzanbieter von 2015 bis 2020 mit insgesamt knapp 77 Millionen Euro finanziert, fördere in Kambodscha heute aber nur noch Geschäftsbanken, die Kredite für den Mittelstand vergeben.

Mehr als zwei Millionen Haushalte in Kambodscha haben Mikrokredit- Schulden, das Land ist damit Spitzenreiter weltweit. Den rasant gewachsenen Markt dominieren neun große Anbieter. Vorwürfe von Fian, dass neben ausländischen Banken und Investmentfirmen auch Entwicklungsagenturen Profit aus der Armut schlagen, weist das BMZ in einer Antwort auf eine Bundestagsanfrage der Linken zurück. Die von Fian genannte Summe von 453 Millionen Dollar sei der kumulierte Gewinn aller 81 MFI in Kambodscha, die zudem nicht nur Mikro-, sondern „eine Vielzahl Kredit- und Bankenprodukten anbieten“. Das BMZ räumt aber ein, es beobachte die Entwicklungen seit einigen Jahren „mit Sorge“.

Ein Viertel der Haushalte ist überschuldet

Denn etwa drei Viertel der Kredite werden mit Land abgesichert, was existenzielle Risiken birgt. Zudem ist mindestens ein Viertel aller privaten Haushalte mit laufenden Krediten „überschuldet“, zeigt die vom BMZ beauftragte Studie des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen. Um bei der Rückzahlung nicht in Verzug – und auf „schwarze Listen“ – zu geraten, sparen viele bei Nahrung, verkaufen Wertsachen, pumpen sich anderweitig Geld oder verkaufen im äußersten Fall ein Stück Wohn- oder Ackerland, heißt es in der Studie.

Die Haushalte nehmen Mikrokredite auf, um das Haus zu verbessern oder in ein Geschäft zu investieren, an dritter Stelle steht der Kauf von Betriebsmitteln oder Land. Und manchmal werden mit neuen Krediten auch alte abbezahlt. Von 1000 befragten Haushalten werteten 82 Prozent die Kreditaufnahme als überwiegend positiv, 16 Prozent als überwiegend negativ. Etwa die Hälfte gab Probleme mit der Rückzahlung an.

Lokale Menschenrechtsorganisationen sehen häufig Kredithaie am Werk, die Menschen vorsätzlich in die Schuldenfalle treiben. Schwarze Schafe seien keine Ausnahme, findet auch die Studie, die „ethisch zweifelhafte Geschäftspraktiken“ vor allem bei der Kreditakquise beobachtet hat. „Loan Officers“, die persönlich Raten eintreiben, machen demnach auch aggressive Haus-zu-Haus- Werbung. Jeder zweite Abschluss komme durch direkte Ansprache zustande. Letztlich macht das BMZ sich das Fazit der Studie zu eigen, dass es „den (einen) Schuldigen“ für die verbreitete Überschuldung in Kambodscha nicht gebe. Gefährdete Familien geraten nicht wegen eines Kredits in eine Notlage, sondern eher wegen Schocks wie Verlust des Arbeitsplatzes, heißt es dort. Auch weise nichts darauf hin, dass vor allem solches Land verkauft werde, dessen Titel als Sicherheit für einen Kredit gegeben wurde.

Berlin pocht in Phnom Penh auf Prinzipien der „Responsible Finance“ – also einer „verantwortlichen Finanzwirtschaft“ – und vermeldet Reformansätze der Regierung. So ermutige die KfW ihre Partner vor Ort zu mehr Verbraucherschutz und Risikoaufklärung. Ein zentrales Darlehensregister könnte mehrfacher Verschuldung entgegenwirken. Bei Regierungskonsultationen im Oktober wurde laut BMZ auch über verbesserte Verfahren für Beschwerden über MFI-Mitarbeitende gesprochen. Mögliche Sanktionen für fahrlässige „Easy-Money“-Werbung, wie die INEF-Studie sie empfiehlt, stehen offenbar nicht auf der Agenda.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2022: Schlaue Maschinen
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