Von Jobsuche und Sparplänen

Altersvorsorge
Auch junge Menschen machen sich Gedanken, wie sie im Alter leben werden. Frauen und Männer aus vier Kontinenten erzählen, ob und wie sie vorsorgen.

„In meiner Generation ist alles unsicherer“ 

Claudia Cori, 25 Jahre, ist Sozialanthropologin, Feministin und Klimaaktivistin in Lima.

Schon als Schülerin habe ich mich für Umweltschutz und Feminismus interessiert, habe Demos organisiert, eine Frauengruppe gegründet. Ich komme aus Moquegua im Süden Perus. Dort leben viele Menschen vom Bergbau, und wenn man sich gegen die Umweltverschmutzung und fürs Klima engagiert, wird man schnell als Bergbaugegnerin in eine Ecke gestellt. 

Nach meinem Studienabschluss bin ich vor zwei Jahren in die Hauptstadt Lima gezogen. Ich wollte etwas Neues ausprobieren und in der Menschenrechts- und Klimabewegung mitmachen. Heute besuche ich Schulklassen in meiner Heimatstadt und erzähle den Kindern vom Klimawandel.

Es ist nicht einfach, in Lima zu überleben. Ich hatte immer wieder Gelegenheitsjobs, aber seit April habe ich nichts mehr gefunden. Wir haben in Peru eine Wirtschaftskrise, die Preise steigen, der freie Markt regiert. Mit meinem Freund zusammen habe ich deswegen ein kleines Unternehmen gegründet. Wir übernehmen Schreibarbeiten und Datenanalysen. Wir wohnen in einer WG, aber dennoch ist die Miete ein großer Posten unserer Ausgaben. Es wäre schön, wenn wir auf eine eigene Wohnung sparen könnten. 

Ich mache mir Gedanken, wovon ich im Alter leben werde. Bisher konnte ich nichts einzahlen in die staatlich geförderte private Kapital-Altersvorsorge AFP. Ich würde, wenn ich denn sparen kann, auch lieber in die traditionelle staatliche Rentenkasse ONP einzahlen. Meine Großeltern haben davon gelebt, zwar mit wenig Geld, aber die Rente kam regelmäßig. Der AFP gegenüber bin ich skeptisch, denn das sind Investitionen an der Börse, das ist kein reales Geld. Dagegen gründet die staatliche ONP auf der Solidarität zwischen den Generationen. Das finde ich gut. Nur sollte es so geregelt sein, dass die Renten der ONP etwas höher ausfallen. 

Meine Eltern werden als Lehrer auch im Alter ihr Auskommen haben. In meiner Generation ist alles unsicherer. Meine Großeltern hatten ein Stück Land, auf dem sie Pfirsiche, Avocados, Feigen anbauten. Vielleicht werde ich im Alter dort auf dem Land leben, es ist billiger, und ich kann mich selbst versorgen. 

Aufgezeichnet von Hildegard Willer.

„Ich habe schon daran gedacht, mir das Leben zu nehmen“

Esther Itodo, 31 Jahre, ist Lehrerin im Bundesstaat Ondo, Nigeria

Als Schülerin und Studentin habe ich davon geträumt, nach meinem Abschluss einen gut bezahlten Job anzutreten, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Aber es kam anders.

Als Lehrerin unterrichte ich an einer Privatschule, die nicht viel bezahlt, und meine beiden Kinder ziehe ich alleine groß. Die beiden Väter tragen finanziell nichts zum Unterhalt bei. Dazu kommt, dass ich mich sowohl um meine Eltern als auch um meine Pflegeeltern kümmern muss, die mir damals die Ausbildung ermöglicht haben. Und ich habe jüngere Geschwister, die ich ebenfalls unterstütze. Meine finanzielle Belastung ist so groß, dass ich schon nahe daran war, meine beiden Kinder in ein Waisenhaus zu geben, damit ich mehr arbeiten kann. Ich habe auch schon daran gedacht, mir das Leben zu nehmen.

Um mein knappes Gehalt aufzustocken, baue ich Gemüse an. Immer wenn ich nicht für die Schule arbeite, kümmere ich mich um meine Beete oder verkaufe mein Gemüse. Wenn ich das nicht täte, könnte ich überhaupt kein Geld zurücklegen. 

Am liebsten würde ich mein eigenes Nähgeschäft eröffnen. Ich hoffe, dass mir eine Mikrokredit-Firma das Geld dafür leiht. Manchmal verzichte ich sogar aufs Essen und spare das Geld dafür lieber, damit ich die von der Mikrokredit-Firma geforderte Anfangssumme aufbringen kann. Als Näherin werde ich hoffentlich einmal genug verdienen, um mich, meine Eltern und meine Kinder zu versorgen und etwas für die Zukunft zu sparen. 

Aufgezeichnet von Sam Olukoya.

„Ich blicke optimistisch in meine Zukunft“

Rawan Darwish, 27 Jahre, ist 2015 aus Syrien nach Deutschland gekommen und arbeitet in Frankfurt am Main als Onlinejournalist und Videoproduzent.Rawan Darwish, 27 Jahre, ist 2015 aus Syrien nach Deutschland gekommen und arbeitet in Frankfurt am Main als Onlinejournalist und Videoproduzent.

Ich habe viele Pläne und Träume für die Zukunft, aber wenn ich über das Altern spreche, stelle ich mir ehrlich gesagt vor, dass ich an drei Orten stehe. Der erste ist mein Geburtsort Aleppo. Dort will ich meine letzten Tage verbringen und schon vorher meinen Landsleuten beim Wiederaufbau helfen – sobald der Krieg in Syrien endet und Demokratie und Freiheit herrschen. Der zweite Ort ist die Stadt Passau, in der ich acht Jahre gelebt habe, weil es eine malerische Touristenstadt ist und ich dort gerne meinen Lebensabend auf meiner privaten Jacht verbringen möchte. 

Der dritte Ort ist hier in Frankfurt. Hier soll meine Firma Darwish Productions ihren Hauptsitz haben, und hier möchte ich mit meiner ganzen großen Familie und mit Freunden wohnen. Dafür werde ich sparen und investieren und Strategien entwickeln. Ich möchte nie in den Ruhestand gehen, sondern immer als selbstständiger Filmproduzent arbeiten, weil ich diese Arbeit liebe. Ich bin aber auch über die Künstlersozialkasse versichert.

Als romantischer Mensch stelle ich mir ein Leben mit einer Frau vor, die ich liebe und die mich liebt. Ich hätte gerne zwei Kinder, aber wenn es nicht so kommt, ist es auch in Ordnung. 

Ein wenig fürchte ich um meine Gesundheit, vor allem wegen des Rauchens, das ich nicht aufgeben kann, und weil einige Mitglieder meiner Familie Krebs hatten.  

Aber ich hoffe einfach, dass meine Energie so bleibt, wie sie jetzt ist und dass ich immer so enthusiastisch und voller Leidenschaft und Kreativität bleibe, wie ich es jetzt bin. Ich blicke optimistisch in meine Zukunft: So lange ich frei bin, kann mich nichts aufhalten. Aber ich mache mir Sorgen um die Zukunft der Menschheit.

Aufgezeichnet von Barbara Erbe.

„Sobald ich beruflich weiter bin, kümmere ich mich um einen Sparplan“

Shaishab Roy, 26 Jahre, ist  ausgebildeter Krankenpfleger in Dhaka, Bangladesch.

Nach der Schule wollte ich sofort einen Job und Geld verdienen, anstatt vier Jahre lang zu studieren und dann mühsam eine schlecht bezahlte Stelle in der Privatwirtschaft zu ergattern. Lieber habe ich eine Ausbildung in der Krankenpflege gemacht, die auf dem Arbeitsmarkt gefragt ist. So wie mein Cousin: Er hat nach seiner Ausbildung als Krankenpfleger in einem staatseigenen Krankenhaus angefangen und von Beginn an gutes Geld verdient. Ich stamme aus einer siebenköpfigen Familie, mein Vater hielt uns alle mit Gelegenheitsjobs in Fischerei und Landwirtschaft über Wasser. Geld war immer knapp.

Ich liebe meine Arbeit, sie rettet Leben. Und ich bin ein staatlich anerkannter Krankenpfleger mit guten Aussichten, mich fortzubilden und eine gut bezahlte, unbefristete Stelle in einer staatlichen Einrichtung anzutreten – das wäre mein Traum. Ich habe aber auch vor, mich im Ausland zu bewerben, um Erfahrungen zu sammeln und ordentlich Geld zu verdienen. 

Im Moment verdiene ich genug, um meine Eltern in ihrem Dorf zu unterstützen und die Raten meines Studienkredits abzubezahlen. Aber es reicht nicht, um fürs Alter vorzusorgen. Ich werde mich aber beruflich weiterentwickeln und dann auch mehr verdienen. Sobald ich so weit bin, kümmere ich mich auch um einen Sparplan.

Krankenpfleger ist ein Beruf, auf den viele herabsehen, auf jeden Fall ist er nicht besonders prestigeträchtig. Aber Krankenpfleger sind sehr gefragt und haben gute Berufsaussichten, auch international. Ich glaube, das Prestige dieses Berufs wird wachsen.

Aufgezeichnet von Raffat Binte Rashid.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2023: Von Jung zu Alt
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