Wie hat sich der internationale Tourismus über die Jahre entwickelt?
Das Jahr 2019, vor Ausbruch der Corona-Pandemie, war bisher das Jahr mit den meisten grenzüberschreitenden Touristenankünften. Die UN-Tourismusorganisation UNWTO zählte damals 1,5 Milliarden Auslandstouristen, die mindestens eine Nacht blieben. Während der Pandemie erlebte der Sektor einen dramatischen Einbruch: So gingen die Ankünfte im Jahr 2022 in der Asien-Pazifik-Region um drei Viertel zurück. Inzwischen ist der internationale Tourismus fast wieder auf dem Niveau vor der Pandemie: 2024 wurden wieder 1,4 Milliarden Ankünfte gezählt – und die Prognose der Reiseveranstalter zeigt nach oben.
Der Boom des internationalen Tourismus begann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als sich vor allem im globalen Norden immer mehr Leute einen Flug und Urlaub fernab der Heimat leisten konnten. 1950 lag die Zahl der Touristenankünfte aus dem Ausland weltweit bei nur 25 Millionen, 1975 schon bei 250 Millionen und 2011 wurde die Marke von einer Milliarde geknackt. Der Tourismus ist damit einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige weltweit. Laut Angaben des World Travel and Tourism Council (WTTC), eines Gremiums, das den privaten Reise- und Tourismussektor weltweit vertritt, trug der Tourismus 2024 knapp elf Billionen US-Dollar und damit zehn Prozent zum globalen Bruttoinlandsprodukt bei und schaffte rund 360 Millionen Jobs weltweit.
Bis in die 1960er Jahre beschränkte sich der Tourismus hauptsächlich auf Nordamerika und Europa. Erst danach begannen Europäer und Nordamerikaner, auch auf andere Kontinente zu reisen. Ab Mitte der 1980er Jahre wurden nach und nach Länder in der Asien-Pazifik-Region zu Urlaubszielen, zum Beispiel China, Malaysia und Thailand, noch später auch Länder in Afrika.
Woher kommen die Reisenden und was sind die beliebtesten Reiseziele?
Die meisten international Reisenden kommen jetzt – und auch wohl noch bis 2030 – aus den USA, Deutschland, Großbritannien, China und Frankreich (in dieser Reihenfolge). Auf diese fünf Länder entfielen im Jahr 2023 insgesamt 38 Prozent der internationalen Reiseausgaben.
Gemessen an den internationalen Touristenankünften bleibt Europa die beliebteste Weltregion. Dort reist man vor allem nach Frankreich, Spanien und Italien. Etwas mehr als die Hälfte aller Ankünfte (rund 750 Millionen) hat die UNWTO 2024 für Europa gezählt, auf Platz zwei mit einem Fünftel der Ankünfte ist die Asien-Pazifik-Region (315 Mio.). Knapp 15 Prozent der Ankünfte wurden in Amerika gezählt (213 Mio.), davon reiste der Großteil nach Nordamerika (137 Mio.) und deutlich weniger in die Karibik, Mittel- und Südamerika. 2024 entfielen auf Afrika 5 Prozent der internationalen Touristenankünfte (74 Mio.) und auf den Mittleren Osten 6,6 Prozent (95 Mio.).
Eine Studie des Entwicklungskreises Tourismus und Entwicklung e.V. von 2021 hat ergeben, dass 14 Prozent der Deutschen 2019 schon einmal in Entwicklungsländern Urlaub gemacht haben. Die meisten von ihnen reisten in Entwicklungs- und Schwellenländer am Mittelmeer wie die Türkei und Ägypten, gerne zum Bade- und All-Inclusive-Urlaub. Zwischenzeitlich dämpften Terroranschläge in islamisch geprägten Ländern aber ihre Reiselust. Das beliebteste Reiseziel der Deutschen in Sub-Sahara-Afrika war 2019 Südafrika, in Asien Thailand und in Lateinamerika Mexiko. Wer in weiter entfernten Entwicklungsländern in Afrika, Asien oder Lateinamerika Urlaub machte, hatte laut der Studie einen sehr hohen formalen Bildungsstandard und ein hohes Einkommen.
Während der Corona-Pandemie machte man eher Urlaub in der Heimat, weil es nicht anders ging. Doch auch in normalen Zeiten ist der Inlandstourismus seit jeher ein viel größerer Markt als der Auslandstourismus: Drei Viertel der weltweiten Tourismusausgaben wurden 2023 laut einer Studie der Beratungsfirma McKinsey im eigenen Land ausgegeben.
China ist nach den USA für Inlandstourismus der zweitgrößte Markt, denn vor allem seit der Corona-Pandemie bleiben mehr Chinesen zu Hause. In einer Umfrage nannten die Befragten folgende Gründe: die teils hohen Hürden für Auslandsreisen, der höhere Preis, aber auch das Gefühl, dass Reisen im Inland sicherer sei, sowie die vielen gut erreichbaren Reisemöglichkeiten im Inland. Das versucht die chinesische Regierung zu nutzen und investiert stärker in Inlandstourismus – allein 30 Prozent der weltweiten Luxus-Hotelbauprojekte konzentrieren sich laut McKinsey derzeit in China. Zwei Drittel der chinesischen Inlandstouristen sind unter 35 Jahre alt. Sie bereisen nicht nur große Städte, sondern auch kleinere Dörfer oder Regionen von kultureller Bedeutung. Sogenannte Influencer posten Bilder und Videos davon in sozialen Medien, die im Idealfall schnell und weit verbreitet werden – und dann weitere Touristen aus dem In- und Ausland anlocken.
Wie groß ist der Süd-Süd-Tourismus inzwischen?
Autorin
Seit etwa 20 Jahren reisen viele Chinesen mit gutem Einkommen in ihre südostasiatischen Nachbarländer, einige auch nach Europa. Nun etabliert sich mit der indischen Mittelklasse eine neue attraktive Zielgruppe für die Reisebranche, die wachsen wird – von 27 Millionen Menschen 2024 auf geschätzt 70 Millionen 2030. Wohlhabende Inder reisten schon früher nach Vietnam, Singapur, Indonesien und Malaysia, aber die Zahlen sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. Grund dafür sind vor allem Visaerleichterungen: Inder können nicht in viele Länder visumsfrei einreisen, aber zum Beispiel Thailand und Malaysia haben vergangenes Jahr die Visumspflicht für Inder ausgesetzt. Bangkok hat in den letzten zehn Jahren erfolgreich um indische Touristen geworben. Auch die Staaten auf der arabischen Halbinsel werben um Inder. Sowohl Abu Dhabi als auch Dubai konnten indische Bollywood-Schauspieler als „Markenbotschafter“ gewinnen.
Europäische Staaten und die USA machen es den indischen Touristen hingegen eher schwer: In den USA müssen Inder bis zu einem Jahr auf ein Interview für ein Visum warten, in Deutschland droht ihnen viel Papierkram. Die Schweiz oder Spanien profitieren hingegen von indischen Touristen, seit dort Bollywood-Filme gedreht wurden.
Umgekehrt tut die Regierung von Narendra Modi viel dafür, Indien als Reiseziel sowohl für indische als auch für ausländische Touristen attraktiver zu machen: Mehrere Flughäfen wurden modernisiert sowie das nationale und internationale Streckennetz und die Flugfrequenz erweitert.
Welche Schäden bringt (Massen-)Tourismus und kann man sie vermeiden?
Wo viele Menschen hinreisen, braucht es viele Unterkünfte. Es werden Hotelkomplexe direkt am Strand gebaut, meist auf Kosten der Umwelt und der Einheimischen. Viele Reisende bedeuten einen hohen Energie- und Wasserverbrauch, zudem viel Lärm und Abfall. Europäische Städte wie Venedig, Barcelona und Dubrovnik werden von Touristen überlaufen, so dass für die Einheimischen der Wohnraum knapp und unbezahlbar wird und sie inzwischen dagegen protestieren. Tagestouristen, die mit Kreuzfahrtschiffen kommen, geben zudem kaum Geld in diesen Städten aus, so dass einheimische Geschäfte und Restaurants nicht von ihnen profitieren.
Auch im globalen Süden gibt es viele Beispiele für die nachteiligen Folgen von Massentourismus: Thailands weiße Sandstrände sind überlaufen, in Costa Rica und Malaysia sterben durch Meeresverschmutzung und Hunderte Menschen, die täglich über ihnen schwimmen, Korallenriffe ab, in Indonesien türmt sich der Müll und es herrscht Wasserknappheit, in Kenia oder Tansania werden für den Bau von Luxushotels die einheimischen Maasai aus ihren Stammesgebieten vertrieben. Auch das Leben der Wildtiere und das Ökosystem von Nationalparks wie der Serengeti wird durch Hunderte Safarifahrzeuge, die täglich unterwegs sind, gestört.
Gerade Länder des globalen Südens bringt all das in ein Dilemma: Einerseits brauchen sie den Tourismus, denn er schafft Arbeitsplätze und generiert Einnahmen für die Wirtschaft. Was es bedeutet, wenn plötzlich keine Touristen mehr kommen, hat man in vielen Ländern während der Corona-Pandemie gesehen. Millionen Menschen, die oft informell in Hotels, der Gastronomie oder für touristische Anbieter gearbeitet hatten, verloren von einem Tag auf den anderen ihre Jobs und hatten kein Einkommen mehr. Während Vietnam inzwischen deutlich mehr Touristen als vor der Pandemie verzeichnet, haben sich andere südostasiatische Länder wie etwa die Philippinen oder Sri Lanka noch nicht von diesen Einbrüchen erholt.
Andererseits spüren die Länder im globalen Süden ohnehin schon stärker die Folgen des Klimawandels wie Dürren, Sturzfluten und steigende Meeresspiegel und nun zusätzlich noch die ökologischen Auswirkungen des Massentourismus.
Daher haben inzwischen einige von ihnen Gegenmaßnahmen ergriffen: Der Eintritt für die artenreichen Galapagos-Inseln, die zu Ecuador gehören, kostet seit August vergangenen Jahres 200 statt bisher 100 US-Dollar. Indonesien hat ein Moratorium für den Bau von Hotels, Villen und Nachtclubs in einigen Gebieten der Ferieninsel Bali verhängt. Neben einer Touristensteuer gibt es dort spezielle Kampagnen, die Touristen auffordern, sich an heiligen Orten respektvoll zu verhalten. Thailand schließt jedes Jahr für zwei Monate die durch den Film „The Beach“ berühmt gewordene Maya Bay, damit sich die Natur erholen kann.
In europäischen Großstädten wie Venedig dürfen seit 2021 keine großen Kreuzfahrtschiffe mehr anlegen und seit 2024 werden Eintrittspreise von fünf Euro gefordert. Die Touristenmassen hat das bis jetzt nicht eingedämmt. In Barcelona ist es inzwischen verboten, selbst seine Wohnung über Airbnb zu vermieten, damit der sowieso schon knappe Wohnraum nicht noch knapper wird. Doch es wird nicht nur verboten: Kopenhagen zum Beispiel hat ein Belohnungssystem für umweltfreundliche Touristen entwickelt. Wer dort Fahrrad fährt, öffentliche Verkehrsmittel nutzt oder Müll sammelt, wird dafür etwa mit kostenfreien Museumsführungen, Kajakfahrten oder vegetarischen Mahlzeiten belohnt.
Wie klimaschädlich ist der Tourismus?
Den höchsten Ausstoß an Treibhausgasen verursacht bei Reisen die Anreise mit dem Flugzeug. Der Tourismussektor trägt knapp zehn Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei, die Hälfte davon entfällt auf den Flugverkehr. Und die vom Tourismus verursachten Emissionen steigen schnell – von 2009 bis 2019 betrug der Anstieg pro Jahr 3,5 Prozent. Zum Vergleich: Die gesamten globalen CO2-Emissionen wuchsen um 1,5 Prozent pro Jahr. Geht der Anstieg in diesem Tempo weiter, werden die Emissionen des Tourismus in 20 Jahren doppelt so hoch sein wie heute, sagen Fachleute.
Drei Viertel der vom Tourismus verursachten CO2-Emissionen entfallen auf Reisende aus nur 20 Ländern, darunter Deutschland, Großbritannien, Japan, Kanada und Brasilien, das restliche Viertel auf Touristen aus 155 Ländern. Die drei größten Emittenten sind mit 39 Prozent die USA, China und Indien.
2021 hat die Staatengemeinschaft beim Klimagipfel die Glasgow Declaration of Climate Action in Tourism beschlossen. Rund 900 Länder, Unternehmen und Verbände aus der gesamten Tourismusbranche haben die globale Verpflichtung unterschrieben, die Treibhausgasemissionen bis 2030 zu halbieren.
Von den Unterzeichnern wird erwartet, dass sie innerhalb eines Jahres einen Klimaaktionsplan veröffentlichen oder bestehende Pläne aktualisieren. Zudem sollen unter anderem tourismusbedingte Emissionen gemessen, Infrastruktur und Transport dekarbonisiert und Ökosysteme wiederhergestellt werden. Bislang ist das aber kaum gelungen. Zwar experimentieren Fluglinien und Reedereien mit weniger klimaschädlichen Treibstoffen oder mit optimierten Flugrouten. Da aber der Tourismusboom ungebrochen ist und der Flugverkehr zu- und nicht abnimmt, werden kleine Fortschritte schnell zunichtegemacht. Auch in anderen Feldern sind die Interessengruppen, die sich der Glasgow-Erklärung verpflichtet haben, bisher nicht weit gekommen, hat eine Untersuchung der UN im Jahr 2022 ergeben. Ein wichtiger Schritt wäre, Flüge auf kurzen Strecken ganz zu vermeiden und Fernflüge zu reduzieren sowie länger am Zielort zu bleiben.
Die Plattform Murmuration, die anhand von Satellitendaten die Umweltauswirkungen des Tourismus überwacht, schätzt, dass 80 Prozent der Reisenden nur zehn Prozent der weltweiten Reiseziele ansteuern. Dabei gibt es abseits der Hotspots viele interessante Ecken zu entdecken.
Wie können Urlaubsreisen nachhaltiger werden?
2015 hat sich die Staatengemeinschaft zur Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung bekannt. Darin ist mehrmals das Ziel eines nachhaltigen Tourismus erwähnt. Als nachhaltig bezeichnet die UNWTO einen Tourismus, der seine gegenwärtigen und zukünftigen ökonomischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen berücksichtigt und die Bedürfnisse der Gäste, der Industrie, der Umwelt und der Anwohnerinnen und Anwohner einbezieht.
Der Tourismus findet in allen UN-Nachhaltigkeitszielen von Armutsbekämpfung bis Zugang zu Wasser Anknüpfungspunkte. Wichtig sind beim nachhaltigen Tourismus folgende Aspekte: Gleichstellung der Geschlechter, Stärkung lokaler Nahrungsmittelproduzenten durch Zugang zu Märkten, Schutz der Arbeitsrechte, Schutz vor Ausbeutung, partizipatorische Entscheidungsprozesse gewährleisten, Ungleichheit in und zwischen Ländern reduzieren, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, das Arbeitsplätze schafft und die lokale Kultur und lokale Produkte fördert, Meere und deren Ressourcen nachhaltig nutzen.
Zwar geben viele Reisende an, die schädlichen Auswirkungen des Tourismus zu kennen und nachhaltiger reisen zu wollen, doch ihr Verhalten ändern sie trotzdem nicht. Knapp die Hälfte der Befragten in Deutschland hat in einer vor kurzem veröffentlichen repräsentativen Umfrage der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen angegeben, auch 2025 für einen Badeurlaub ans Mittelmeer fliegen zu wollen. Trends wie Ökotourismus oder sanfter Tourismus bleiben Nischen, der konventionelle Tourismus dominiert. Zwar haben auch immer mehr Regierungen und am Tourismus beteiligte Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit auf dem Schirm, eine Kehrtwende ist aber noch lange nicht in Sicht.
Immerhin gibt es etwa 200 Siegel für nachhaltigen Tourismus – aber es ist schwer, sich in diesem Dschungel zurechtzufinden. Tourism Watch, eine Fachstelle für nachhaltigen Tourismus, die zu Brot für die Welt gehört, hat in einer Broschüre 24 Siegel für Unterkünfte, Reise- oder Tourveranstalter (darunter Earth Check, Green Globe, TourCert und Travellife) genauer vorgestellt und für gut befunden. Denn diese Siegel sind vom Global Sustainable Tourism Council international anerkannt, sie sind transparent und es gibt in vielen Ländern nach diesen Siegeln zertifizierte Anbieter. Zu den Zertifizierungskriterien gehören unter anderem der effiziente Einsatz von Energie und Wasser, Abfallvermeidung und Recycling, die Einhaltung der Menschenrechte, faire Arbeitsbedingungen, Schutz vor Ausbeutung von Frauen und Kindern sowie Gleichstellung.
Zum Weiterlesen:
Den Labelguide von Tourism Watch können Sie hier herunterladen
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