Tor zur Einen Welt

Seit vierzig Jahren verbinden die Kirchen ihre Projektarbeit im Süden mit der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit. Der ökumenische Impuls dazu Anfang der 1970er Jahre war die Geburtsstunde der vielen Partnerschaften mit Gemeinden und Kirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika und der Anwaltschaft zur Verteidigung der Menschenrechte. Die Evangelische Kirche in Deutschland muss ein Forum bleiben für die vielfältigen Stimmen der kirchlichen Eine-Welt-Arbeit – auch nach der Fusion von Evangelischem Entwicklungsdienst und „Brot für die Welt“.

Jede Kirchentür sollte ein Tor zur Einen Welt sein. Wer hineingeht, kann die Welt in den Möglichkeiten Gottes erfahren. Wer hinaustritt, sollte ermutigt sein, Verantwortung für sie zu übernehmen. Wer an einer Kirche vorbeikommt, achte einmal auf Informationsmaterial. Hängt dort ein Plakat der kirchlichen Hilfswerke? Wird zu einem Gottesdienst mit ökumenischen Gästen eingeladen? Gibt es Flyer, die zu Spenden aufrufen oder das Magazin eines Missionswerks? Verkauft jemand nach dem Gottesdienst Produkte aus dem fairen Handel und schmeckt auch der Kirchenkaffee danach? Und kam in der Fürbitte die Not der Welt zur Sprache? Häufig lässt sich da vieles finden.

Autor

Jürgen Thiesbonenkamp

war bis 2014 Vorstandsvorsitzender der Kindernothilfe in Duisburg.

Nicht alle Gemeinden kreisen nur um den eigenen Kirchturm. Sicher, es gibt Beispiele, die das Gegenteil zeigen. Vieles geschieht im Stillen, oft am Rande, so dass es nicht das Profil der Gemeinde schärft. Dennoch haben Kirchen die einmalige Möglichkeit, von den Domen bis zu den Dorfkirchen den Armen der Welt durch die Gebete und Aktionen eine Stimme zu geben. Welche Vielfalt da zusammenkommt, wird wieder der Kirchentag in Dresden zeigen, wenn auf dem Markt die vielen Initiativen und Werke ihre Arbeit vorstellen. Die geballte Fülle mag verwirren, aber verteilt über das ganze Land und Jahr sind es dann die sprichwörtlichen vielen kleinen Leute an den vielen kleinen Orten, die das Gesicht der Welt zu verändern sich vorgenommen haben und damit bei sich selbst anfangen.

So findet sich heute in den Gemeinden wieder, was vor 40 Jahren als ökumenischer Impuls in das kirchliche Leben gekommen ist. Nach einer ökumenischen Konsultation in Montreux 1970 und zwei Konferenzen in Loccum 1970/71 kam der Begriff der „Entwicklungsverantwortung" auf. Hier wurde festgelegt, die Programm- und Projektarbeit im Süden mit der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit zu Hause zu verbinden. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Bremen beschloss 1973, dass „Information, Bewusstseinsbildung und Gewissensschärfung im eigenen Land" eine wesentliche Aufgabe des kirchlichen Entwicklungsdienstes sein müssen. Das hat Eingang gefunden in Satzungen und Grundsatzpapiere entwicklungspolitischer Organisationen, nicht nur kirchliche. Dieser ökumenische Impuls hat Akzente gesetzt in der Entwicklungszusammenarbeit, besonders auch dort, wo der Bildungsbegriff Anwaltschaft (Advocacy) und Kampagnenarbeit umfasst und der Einsatz für Menschen- und Kinderrechte die Programm- und Bildungsarbeit verbinden.

Innerkirchlich sind daraus die vielen Partnerschaften mit Gemeinden und Kirchen im Süden entstanden, hat der faire Handel seinen Aufschwung genommen, wurde die Arbeit der Antiapartheidgruppen gestärkt und haben entwicklungspolitische Organisationen ihre Profile erarbeitet. Manches Mal gab es auf diesem Weg Widerstände in Synoden und Kirchenleitungen zu überwinden. Zugleich begann ein theologisches Nachdenken über den Zusammenhang und die Unterschiede von Mission und Entwicklungszusammenarbeit, das sich heute im neu erwachten Interesse an der Rolle der Religionen in der Entwicklungszusammenarbeit fortsetzt.

Umso enttäuschender war es, dass in dem Perspektivpapier der EKD „Kirche der Freiheit" von 2006 dieser ökumenische Horizont so gut wie ausgeblendet blieb. Hierzu gab es viel Widerspruch aus den Werken und Missionen. Der Mangel an ökumenischem Bezug war um so erstaunlicher, weil wenig später die Pläne zur Fusion des Evangelischen Entwicklungsdienstes mit „Brot für die Welt" bekannt wurden. Das neue Werk wird vieles zusammenbringen, was zur Ökumene und Entwicklungsarbeit gehört. Es wird groß werden, aber kein Monopol haben. Die protestantische Vielfalt ist größer. Sie mag manchmal verwirrend sein, aber gesamtkirchlich ist sie ein Schatz. Die EKD sollte das im Blick behalten. Sie wird die begonnene Fusion voranbringen. Sie sollte aber darüber hinaus für die anderen weiter ein Forum sein, das den Stimmen aus der Einen Welt die Kirchentüren offen hält. Hier sind noch Schätze zu entdecken und zu heben und neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu erproben

 

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erschienen in Ausgabe 6 / 2011: Wir konsumieren uns zu Tode
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