Der nächste fruchtlose Weckruf

Zum Thema
Anpassung an Klimawandel
Klimaschutz
Wer Klimaschutz will, darf Machtfragen nicht ausweichen, meint Bernd Ludermann.

Als „Weckruf“ wird der Sonderbericht des Weltklimarates (IPCC) vom Oktober weithin verstanden. Die Wissenschaftler zeigen, wie wichtig es wäre, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen: Sonst drohen unter anderem mehr extreme Hitze, mehr Starkregen, mehr Dürren und der Verlust von mehr Ökosystemen. Am furchterregendsten ist, dass die Erwärmung sich infolge von Kippeffekten wie dem Auftauen des Permafrostes selbst verstärken und unbeherrschbar werden kann.

Das Kernstück des Berichts sind Szenarien, wie eine Erwärmung um mehr als 1,5 Grad noch verhindert werden kann. Unabsichtlich bestärken sie den Verdacht, dass dies nicht mehr möglich ist. Denn dazu müsste der Ausstoß von Treibhausgasen bis Mitte des Jahrhunderts auf netto null sinken. Und entweder muss man gigantische Mengen Kohlendioxid künstlich der Atmosphäre entziehen; der IPCC zweifelt selbst, ob dies im nötigen Umfang möglich und verantwortbar ist. Oder aber die Emissionen müssen bereits in den kommenden rund 15 Jahren halbiert und dann weiter stark gesenkt werden. Dies, so der IPCC, ist trotz Anstiegs der Weltbevölkerung und weiteren Wirtschaftswachstums mit der verfügbaren Technik erreichbar. Allerdings nur, wenn die Gesellschaften in Industrie- und Schwellenländern sich zu einem rasanten Umbau ihrer wirtschaftlichen Grundlagen entschließen – alle und sofort.

Dafür gibt es kaum Anzeichen. Optimisten verweisen zwar auf den Siegeszug von erneuerbaren Energien und die vielen Initiativen von Städten, Regionen und Firmen. Aber so wertvoll das alles ist, es darf über zweierlei nicht hinwegtäuschen: Eine „grüne“ Infrastruktur aufzubauen – Stromnetze, gedämmte Häuser, Schienennetze –, erfordert viel Rohstoffe und Energie, ist also nicht automatisch klimafreundlich. Und für eine emissionsfreie Wirtschaft ist nicht entscheidend, ob saubere Produktion und Konsum entstehen, sondern ob die schmutzige beendet wird – ob etwa Kohlekraftwerke, Verbrennungsmotoren und Flugzeuge stillgelegt und die Soja- und Palmölproduktion begrenzt werden. Nichts davon geschieht im erforderlichen Tempo.

Klimaschutz mit politischer Mitsprache verknüpfen

Der neue Weckruf wird daran wenig ändern. Nicht Unkenntnis, sondern Machtverhältnisse verhindern, dass einflussreiche Wirtschaftssektoren beschnitten werden. Wer Klimaschutz ernst nimmt, muss ihn als Teil von Verteilungs- und Machtkämpfen betreiben. So haben die Baumbesetzer im Hambacher Forst mit zivilem Widerstand den RWE-Konzern vorläufig am weiteren Braunkohleabbau gehindert. Ähnlichen Protest hat der Ausbau von fossiler Infrastruktur wie Flughäfen und Autobahnen verdient.

Doch damit Klimaschutz mehr Menschen mobilisiert, muss er mit sozialer Gerechtigkeit und politischer Mitsprache verknüpft sein. Es reicht da nicht, den Strukturwandel sozial abzufedern. Man muss glaubwürdig machen, dass der Weg zur Null-Emissions-Gesellschaft mit einer Umverteilung von Reichtum und Macht nach unten einhergehen und besonders ärmeren Schichten mehr Lebensqualität bringen soll. Das ist von den deutschen Grünen mit ihrer mittelständischen Klientel nur noch sehr leise zu vernehmen. Weiter links im politischen Spektrum mündet hingegen die berechtigte Kritik an der herrschenden Finanz- und Wirtschaftspolitik oft in die Forderung, Löhne und öffentliche Investitionen zu erhöhen. Doch wer eine klassische Ankurbelung der Massennachfrage will, hat das Ausmaß der Umweltkrise nicht begriffen.

Es geht nicht ohne Konflikte

Streiten muss man für Projekte, die sowohl weniger Begüterten nutzen als auch den Klimaschutz voranbringen – zum Beispiel, öffentlichen Verkehr preiswerter zu machen und Autos zurückzudrängen. Bei Infrastruktur, im Wohnungsbau und bei sozialen Diensten sollten Privatisierungen rückgängig gemacht und öffentliche sowie gemeinnützige Anbieter bevorzugt werden. Das ermöglicht mehr Angebote für Einkommensschwache und dämpft zugleich den Zwang zu mehr Rendite und damit mehr Wirtschaftswachstum. Statt den Konsumrausch anzuheizen, kann man Werbung im öffentlichen Raum einschränken wie in Paris und Werbekosten großer Firmen nur noch begrenzt steuerlich absetzbar machen. Steuern auf Emissionen, Kapitaleinkünfte und Finanztransaktionen sollten eine Grundsicherung mitfinanzieren, auch für Rente und Pflege.

Das geht nicht ohne Konflikte mit Energiekonzernen und Finanzmärkten. Und statt allen Menschen stets mehr Geld in Aussicht zu stellen, ist eine ehrliche Debatte nötig, was sich ändern soll und wie dabei Nutzen und Lasten verteilt werden. Der Bericht des IPCC zeigt ja eines klar: Dramatische soziale Veränderungen sind unvermeidlich. Die Erderwärmung wird sie erzwingen.

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Nun kommen häufiger Zweifel in Ihre Artikel. Das lässt hoffen. Schon vor Jahren schrieb ich Ihnen, die Erderwärmung sei nicht aufzuhalten. Die Biosphäre erwärmt sich seit 15000 Jahren, von wo ich ihnen schreibe, war ehedem eine tausend Meter dicke Eisschicht. Die Erderwärmung hat mit den Erdbewohnern kaum etwas zu tun und schon gar nicht kann sie von ihnen aufgehalten werden. Zum Glück hat der IPPC keinen Einfluss auf das weltweite Wirtschaftsgeschehen, eine schnelle Reduzierung des gegenwärtigen Energieverbrauchs, auch nur um 15%, hätte furchtbare Folgen für den Arbeitsmarkt mit Mord und Totschlag beim Kampf um die verbleibenden Ressourcen. Und wie will man den nach Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse strebenden Menschen in Asien, Afrika und anderswo erklären, ihr Wunsch nach Wohlstand wäre klimaschädlich? Herr Ludermann, vergessen Sie den IPPC und schreiben Sie mal über die Bewältigung der Folgen des steigenden Meeresspiegels. Da sind Ideen und Antworten gefragt, die Massenflucht von Afrikanern nach Norden ist ja nur das Vorspiel und noch nicht durch Klimawandel verursacht, sondern vorrangig durch den Traum vom besseren Leben inklusive der Waren und Möglichkeiten. Auch darf mal wieder gesagt werden, wir Deutschen stellen etwa 1% der Weltbevölkerung, legt man demokratische Verfahren zugrunde, wird nicht eintreten, was Sie sich wünschen. Soviel zur Machtfrage.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2018: Eingebuchtet
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