Drei Aspekte von Säkularisierung muss man dabei unterscheiden: die Trennung von Staat und Religion, die Zurückdrängung der Religion aus dem sozialen Leben ins Private sowie den Rückgang des persönlichen Glaubens. Befunde zu den Trends sind zwiespältig.
Umfragen des Pew Research Center haben ergeben, dass sich mit Zunahme des Wohlstands im Schnitt weniger Menschen zu einer Religion bekennen oder sie praktizieren. Aber die Bevölkerung wächst da stark, wo Menschen sehr religiös sind, besonders in Afrika, und schrumpft da, wo viele nicht Religiöse leben – die meisten finden sich in China. Daher schätzt das Pew Center, dass der Anteil der religiös Ungebundenen zwar in Europa und Nordamerika weiter steigen, global aber sinken wird: von etwa 16 Prozent der Weltbevölkerung 2010 auf 13 Prozent 2050. Der Anteil der Christen bleibt danach bei gut 31 Prozent, von denen 2050 ein größerer Teil in Afrika lebt als heute; der Anteil der Hindus bleibt konstant bei etwa 15 Prozent. Der Anteil der Muslime wird laut Pew von 23 auf fast 30 Prozent wachsen.
Auch beim sozialen und politischen Einfluss von Religion beobachtet man widersprüchliche Trends. So sind in vielen muslimischen Ländern und im Sahel, aber auch unter Christen in den USA, in Afrika und Lateinamerika fundamentalistische Strömungen entstanden, die zum Beispiel Frauenrechte oder den Schutz für sexuelle Minderheiten zurückdrängen wollen. Manche Religionsgemeinschaften lassen sich für Wählermobilisierung einspannen und beeinflussen so, wer ein Land regiert, etwa in der Türkei, Brasilien und Indien. Einige legitimieren Gewalttaten oder „heilige Kriege“, andere setzen sich für Frieden ein. Und Regierungen beschränken die Freiheit von Religionsgruppen, die ein Machtfaktor werden könnten – so China und manche Staaten der islamischen Welt, die sich auf den Islam berufen und ihn zugleich ans Gängelband nehmen.
Religionsunterschiede spielen in vielen Konflikten eine Rolle, besonders wo sie mit ethnischen Unterschieden zusammenfallen wie in Nigeria. Zugleich tragen Religionsgemeinschaften oft zur Beilegung solcher Konflikte bei. Sie unterhalten in vielen Entwicklungsländern Krankenhäuser und Schulen. Und religiöse Würdenträger haben aufgrund ihres lokalen Ansehens Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg von Entwicklungsvorhaben und auf den Wandel sozialer Normen, etwa bei Frauenrechten. Nicht zuletzt deshalb versuchen auch staatliche Entwicklungsagenturen, sie einzubinden. Mit dem sozialen Wandel verändert sich die Rolle der Religionsgemeinschaften in Gesellschaft und Politik. Aber sie werden eigenständige Kräfte bleiben.