Wenig aufschlussreiche Rechenspiele

Kommunen können zur Verwirklichung der Millenniumsentwicklungsziele beitragen. Diese Behauptung gehört zum Allgemeingut der entwicklungspolitischen Debatte. Doch was leisten Städte tatsächlich? Die Ergebnisse einer Studie über die Aktivitäten der Stadt Bonn sind eher ernüchternd – beziehungsweise nichtssagend.

Die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) hat das Bonner Engagement für die Millenniumsentwicklungsziele untersucht. Mit dieser entwicklungspolitischen Agenda haben die Vereinten Nationen die Welt im Jahr 2000 darauf verpflichtet, bis 2015 die extreme Armut abzuschaffen und die Kindersterblichkeit zu reduzieren, weltweit die Grundschulbildung für Kinder zu garantieren und Krankheiten wie Aids und Malaria wirksamer zu bekämpfen.

Autoren

Claudia Mende

ist freie Journalistin in München und ständige Korrespondentin von „welt-sichten“. www.claudia-mende.de

Tillmann Elliesen

ist Redakteur bei "welt-sichten".

Die FEST hat einen Leitfaden und Indikatoren entwickelt, mit denen Kommunen ihre entwicklungspolitische Arbeit messen können. Zu den Kriterien zählen die CO2-Emissionen pro Kopf, das Aufkommen an Rest- und Sperrmüll sowie der Papierverbrauch, der Verbrauch an fair gehandelten Produkten und die Ausgaben der Stadtverwaltung dafür, das Eine-Welt-Engagement sowie die Nutzung von Fair-Trade-Fußbällen in Sportvereinen. Die wissenschaftliche Arbeit ist im Rahmen eines internationalen EU-Projekts entstanden, an dem neben der federführenden Stadt Bonn als Projektpartner auch die Städte Potsdam, Oxford (Großbritannien), Nagykanizsa (Ungarn) und Villach (Österreich) sowie das Klima-Bündnis aus Österreich, Ungarn und Deutschland beteiligt waren.

Gemessen an dem Aufwand sind die Ergebnisse der Studie zu Bonn allerdings dürftig. So stellt der Bericht fest, die Entwicklungsziele seien vielen Bonner Bürgern nach wie vor nicht bekannt. Von den 200 Befragten, die auf eine entsprechende Umfrage antworteten, hat ein Viertel schon mal davon gehört, doch nur drei Prozent wussten, um welche Inhalte es dabei geht. Das klingt nach wenig, dennoch sagt Volker Teichert von der FEST, der den Bericht verantwortet: „Der Wert ist noch relativ gut.“ In anderen Großstädten wäre er seiner Einschätzung nach sicher deutlich schlechter, wobei es dazu keine Vergleichszahlen gibt. In Bonn gab es in den vergangenen Jahren immer wieder öffentliche Aktionen, um die Entwicklungsziele bekannter zu machen.

Wie viel fair gehandelten Kaffee die Bonner trinken, bleibt offen

Ein anderes Ergebnis lautet, dass der im Jahr 2002 eingeführte fair gehandelte „Bonn Café“ bis 2008 immer beliebter wurde, seitdem aber der Konsum wieder gesunken ist und jetzt bei etwa fünf Kilogramm pro tausend Einwohner liegt. Der Bericht nennt keine Gründe für diesen Rückgang, weist aber darauf hin, dass möglicherweise der Verbrauch anderer fair gehandelter Kaffeesorten entsprechend gestiegen ist. Andere fair gehandelte Produkte in Supermärkten und Discountern der Stadt konnten aus methodischen Gründen nicht berücksichtigt werden, so Projektleiter Teichert. Unklar bleibt also, wie viel fairen Kaffee die Bonner nun trinken und ob der Verbrauch insgesamt gestiegen ist oder nicht.

Deutlich gewachsen sind die Ausgaben der Stadtverwaltung für fair gehandelte Produkte, die sie beim Bonner Weltladen bezieht: 2011 lagen sie bei einem Euro pro Mitarbeiter und damit zehnmal so hoch wie 2002, als die Stadt nur zehn Cent pro Kopf für Fair-Trade-Produkte ausgab. Der Bericht räumt ein, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Stadt noch in anderen Läden einkaufe, die nicht berücksichtigt worden seien. Auch hier ist also unklar, wie hoch die Ausgaben tatsächlich sind. Der Bericht sagt auch nichts dazu, ob der Wert von einem Euro pro Mitarbeiter im Vergleich zu anderen Städten viel oder wenig ist. Er nennt lediglich die durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben für fair gehandelte Produkte in Deutschland (fünf Euro), Österreich (zehn Euro) und der Schweiz (33 Euro), die aber kaum als Vergleich taugen.

Fair gehandelte Fußbälle sind die Ausnahme

Ein weiteres Ergebnis: Von den 60 Sportvereinen in der Stadt hat bisher nur ein Verein Fair-Trade-Fußbälle gekauft. Die Bälle sind teurer als herkömmliche Fußbälle. „Wir regen uns zwar über das Schicksal von Näherinnen in Bangladesch auf, tun aber nicht wirklich etwas, damit sich die Situation durch fair gehandelte Produkte verbessert“, resümiert Volker Teichert. Der Bericht zeige, dass es noch „große Defizite“ gibt.
Gut schneidet Bonn laut der Studie beim Klimaschutz ab: Die Stadt könne ihre Klimaziele – eine Reduktion der Emissionen bis 2020 um 20 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 – noch erreichen. Die Stadt wollte keine Stellung zu dem Bericht nehmen. Welche Teile der Studie offiziell übernommen werden, soll der Ausschuss für Internationales des Stadtrats Ende März entscheiden.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2014: Neue Helden der Arbeit
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