„Ich hätte nie gedacht, dass ich Menschen durch Essen zusammenbringen würde“
Ich wurde in Saudi-Arabien geboren, zog mit zehn mit meinen Eltern nach Syrien und nach dem College nach Dubai. Dort lernte ich meine Frau, eine Nepalesin, kennen. 2012 machte ich zum ersten Mal mit ihr dort Urlaub, und ich war begeistert. Wir beschlossen, 2015 nach Nepal zu ziehen. Dort wollte ich ein syrisches Restaurant eröffnen, weil das Essen weltweit beliebt ist. Weil ich keinen Koch fand, begann ich, selbst zu kochen, und den Leuten schmeckte es. Viele Nepalesen kannten Syrien nur im Zusammenhang mit dem Krieg. In Gesprächen stellte ich ihnen die syrische Küche und Kultur vor. Ich hätte nie gedacht, dass ich Menschen durch Essen zusammenbringen würde, aber genau das ist passiert.
Die Menschen machen hier Dinge anders, zum Beispiel verbrennen sie ihre Toten. In anderen Dingen sind sie den Syrern ähnlich. Die Nepalesen sind warmherzig, gastfreundlich und sie respektieren Ausländer. Bis heute stört mich aber, dass sie keinen Wert auf Pünktlichkeit legen.
Die Familie meiner Frau hat mich sehr herzlich aufgenommen. Aber ich habe mich noch nicht daran gewöhnt, dass dem Schwiegersohn in Nepal so viel Bedeutung beigemessen wird – er muss gut behandelt werden und darf als Erster essen. Dass die Familie mittags und abends Reis gegessen hat, war für mich unmöglich. In Syrien sind unsere Mahlzeiten ganz anders. Ich spreche jetzt etwas Nepali, aber hier sprechen alle ein wenig Englisch, so dass die Verständigung kein Problem ist. Die Menschen sehen mich als Ausländer, nicht als Muslim – Religion ist kein Thema. Das Wichtigste, was wir voneinander lernen sollten, ist, in Frieden zu leben. Die Nepalesen sind sehr friedliche Menschen. Nepal ist jetzt meine Heimat.
Aufgezeichnet von Bibek Bhandari.
„Ich sehe es als Geschenk an, beide Kulturen erleben zu können“
Ich bin vor zwei Jahren als Au-pair-Mädchen nach Deutschland gekommen und habe bei einer deutsch-französischen Familie gelebt, mich um deren zwei Kinder gekümmert und mit ihnen Französisch gesprochen. Die Arbeit mit den Kindern hat mir richtig gut gefallen, darum habe ich letztes Jahr eine Ausbildung als Erzieherin angefangen.
2019 habe ich mein Abitur gemacht und wäre am liebsten sofort ins Ausland gegangen, allerdings hat mir das meine Mutter nicht erlaubt. Ich habe daher erst mal angefangen, in Madagaskar Naturwissenschaft zu studieren und Chinesisch zu lernen. Ich hatte bei Facebook von afrikanischen Au-pair-Mädchen in Deutschland gelesen, dann habe ich Deutschkurse besucht. Über eine Webseite habe ich mich beworben und nach einem Jahr Warten auf ein Visum kam ich endlich nach Deutschland.
Ich hatte anfangs viel Heimweh. Die Familie hat mich super aufgenommen, aber ich habe schnell die vielen Unterschiede zwischen den Kulturen gespürt. Während in Madagaskar oft alle zusammen sind – Familie, Nachbarn, Freunde –, legen die Deutschen viel Wert auf Privatsphäre. Struktur, Pünktlichkeit und Disziplin spielen hier eine große Rolle. Werte wie Respekt, Vertrauen, Zusammenhalt und Ehrlichkeit sind aber in beiden Kulturen wichtig. Ich sehe es als Geschenk an, beide Kulturen erleben zu können.
Interessant ist auch, wie unterschiedlich die Kinder behandelt werden: Während in Madagaskar die Kinder auf Erwachsene hören müssen, sieht man sie in Deutschland eher als „unfertige Erwachsene“ und spricht sie auf Augenhöhe an. In meiner Ausbildung im Kindergarten treffen viele Kulturen aufeinander, die Hälfte der Auszubildenden hat einen Migrationshintergrund. Das ist sehr bereichernd. Wenn ich irgendwann mal selbst Kinder haben sollte, picke ich mir das Beste aus den verschiedenen Kulturen raus.
Aufgezeichnet von Melanie Kräuter.
„Der Spagat zwischen Europa und Ecuador war für mich als Kind schwierig“
Mein Vater ist Kichwa-Indigener aus Sarayaku, meine Mutter stammt aus der Nähe von Theux in Belgien und kam 1987 als Entwicklungshelferin in den ecuadorianischen Regenwald. Ich bin in Sarayaku aufgewachsen, dann lebten wir vier Jahre in Belgien. Dort habe ich perfekt Französisch gelernt. Mein Großvater in Belgien war Koch. Ich glaube, deshalb liebe ich die belgische Küche, die Fritten, die Schokolade. In Sarayaku liebe ich die Ruhe und die Freiheit, selbstbestimmt zu leben. In Belgien können die Menschen nicht einfach sagen, heute regnet es, heute habe ich keine Lust zu arbeiten.
Der Spagat zwischen Europa und Ecuador war für mich als Kind schwierig. Ich erlebte Rassismus in beiden Ländern, etwa wegen meiner Hautfarbe. Als Teenagerin hatte ich darum kein hohes Selbstwertgefühl. Studiert habe ich in Quito. Dort bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Sarayaku der Platz ist, wo ich hingehöre und für den ich kämpfen will. In Sarayaku gebe ich den Kindern an der Schule auf Kichwa Computerunterricht.
Als Designerin entwerfe ich Logos und Inhalte für die Social-Media-Seiten der indigenen Comunidad von Sarayaku. Wenn ich vom Arbeiten am Bildschirm müde bin, stehe ich auf, paddle den Fluss entlang und höre den Vögeln zu. Das entspannt und erdet mich. Ich möchte diesen Kontakt zur Natur nicht verlieren, so wie ich das in Belgien erlebt habe. Dort rennen alle dem Konsum hinterher und machen sich gar keine Gedanken darüber, woher die Dinge alle kommen. Es ist schwierig, mit meiner belgischen Familie darüber zu sprechen. Aber meinen beiden Kindern will ich diese Werte vermitteln.
Aufgezeichnet von Sandra Weiss.
„Manchmal bedaure ich, dass ich nicht mit einem Christen verheiratet bin“
Ich lebe im Bundesstaat Plateau im Zentrum Nigerias, wo ich viele tödliche Konflikte zwischen Christen und Muslimen miterlebt habe. Ich befinde mich in einer einzigartigen Situation: Als Christin bin ich mit einem Muslim verheiratet.
Früher lebte ich in der Nähe eines dicht besiedelten muslimischen Viertels in Jos. Wenn es zu religiösen Konflikten kam, bin ich manchmal von meinem Zuhause im muslimischen Viertel in den christlichen Teil der Stadt gerannt, um nicht getötet zu werden. Es ist Gottes Gnade, dass ich heute noch lebe, denn Hunderte andere haben ihr Leben verloren.
Das Leben unter Muslimen war schwierig, sie haben mir gezeigt, dass ich nicht willkommen war. Sie verbergen ihren Hass nicht. Wenn man bei ihnen einkauft, behandeln sie einen schlecht und sprechen unhöflich mit einem. Manchmal kleide ich mich wie eine Muslimin, um die Feindseligkeit zu verringern. Ich bin inzwischen in ein christliches Gebiet gezogen, wo es für mich und meine drei Kinder sicherer ist. Mein Mann lebt woanders, er kommt einmal pro Woche zu uns.
Wegen des tief sitzenden Hasses zwischen Christen und Muslimen ist eine Ehe zwischen Angehörigen beider Religionen heutzutage kaum noch möglich. Als ich meinen Mann im Jahr 2000 geheiratet habe, lebten Christen und Muslime friedlich zusammen. Manchmal bedaure ich, dass ich nicht mit einem Christen verheiratet bin, denn ich hätte mir ein christliches Zuhause gewünscht, in dem mein Mann, meine Kinder und ich gemeinsam in die Kirche gehen würden. Doch das erlauben muslimische Männer nicht. Trotz der religiösen Unterschiede zwischen meinem Mann und mir versuche ich, das Beste aus der Situation zu machen. Ich sehe die Ehe und die Kinder als zwei wichtige verbindende Faktoren an, die über die Religion hinausgehen.
Aufgezeichnet von Sam Olukoya.
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