Vorwärts auf dem Holzweg

Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und wird zunehmend als Baustoff oder als Brennstoff in modernen Heizungen verwendet. Zugleich wächst aber der globale Holzbedarf etwa für Möbel und Papier weiter, und die verfügbare Menge ist begrenzt. Das macht den illegalen Holzeinschlag lukrativ – und ebenso Nutzholzplantagen, denen weltweit wertvolle naturnahe Wälder zum Opfer fallen.

Ein Rückblick: In den 1980er Jahren wurden die Möbel plötzlich hell. Heimische, europäische Hölzer sollten es sein, Buche, Esche, Erle, Ulme, Birke. Das lag nicht nur am Wunsch nach modischer Abwechslung. Die hellen Hölzer sandten eine klare Botschaft: Kein Tropenholz. Mahagoni, Palisander gar, die schweren, dunklen und üppigen Stämme waren in Verruf geraten. So schön sie waren, sie trugen das Zeichen illegaler Abholzungen, des Raubbaus an der Natur, der brutalen Ausbeutung der Regenwälder. Zudem hatten die Diskussionen um das Waldsterben in Europa ihre Spuren hinterlassen. Die hellen Hölzer waren, geölt oder gewachst, ein Bekenntnis zum schonenden Umgang mit der Natur.

Autor

Reinhard Osteroth

ist freier Wissenschaftsjournalist in Berlin. 2011 erschien für junge Leser sein Buch „Holz – Was unsere Welt zusammenhält“ im Bloomsbury-Verlag.

Wer sich heute in Möbelhäusern umschaut, stellt fest: Die Mode hat sich gewandelt, Nussbaum ist beliebt wie lange nicht, helle Hölzer sind dunkel gebeizt. Dunkel geht auch ohne Tropenholz. Die Themen von damals aber sind noch aktuell. Das Schrumpfen der Wälder infolge großflächiger Rodungen in den tropischen Breiten ist fester Bestandteil der Debatten um den Klimawandel geworden. Die Zertifikate des Forest Stewardship Council (FSC) und des Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes (PEFC) für Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft sollen dem Verbraucher den umweltbewussten Kauf ans Herz legen und erleichtern.

Das Image von Holz hat sich beträchtlich gewandelt. Der nachwachsende Rohstoff ist gerade in den vergangenen zehn Jahren noch beliebter geworden, vor allem zum Bauen. Das mag steigenden Stahl- und Energiepreisen zu verdanken sein, ist aber auch das Ergebnis intensiver Forschung und der Entwicklung neuer technischer Verfahren. Durch spezifische Verleimungen lassen sich heute hochbelastbare Bauelemente und Träger mit hohen Spannweiten aus Holz herstellen. Bauten in London und Berlin beweisen, dass auch große städtische Wohnhäuser so gebaut werden können.

Noch sind Einfamilienhäuser aus Holz deutlich teurer als die aus Stein, Beton und Stahl. Aber die Bauelemente lassen sich sehr genau vorfertigen und in kurzer Zeit montieren. Der höhere Preis wird wettgemacht durch ein gesundes Raumklima und eine günstige Energiebilanz. Obendrein punktet Bauholz im Vergleich zu Aluminium, Stahl, Kunststoffen oder Beton schon bei der Herstellung mit geringem Energiebedarf. Bauen mit Holz ist ein Paradebeispiel nachhaltiger Technik, weil der darin gebundene Kohlenstoff durch die langfristige Nutzung für Jahrzehnte gespeichert bleibt. Jeder Dachstuhl ist ein kleiner Kohlenstoffspeicher, der immerhin etwa acht Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre fernhält.

Möbel zum Tiefpreis

Ein Tisch aus Kiefernholz und vier Stühle zum Preis von 99 Euro – nicht nur beim „Markencheck“ des WDR erregte der Tiefstpreis der Ikea-Garnitur Verwunderung. Allein der Wert des Holzes mü ...

Auch die energetische Nutzung von Holz, von privaten Heizanlagen bis zu Biomassekraftwerken, wird inzwischen viel diskutiert und ist mit Hoffnungen verbunden. Kochen und Heizen mit Holz ist in vielen Ländern der Erde nach wie vor für viele Menschen lebenswichtig. In den Industriestaaten bedeutet es Unabhängigkeit vom teuren, versiegenden Erdöl und Erdgas. Mehr als die Hälfte des weltweit produzierten Holzes wird energetisch genutzt, selbst in einem Industrieland wie Deutschland sind es gut 40 Prozent. Moderne Holzheizungen gelten als umweltschonend, ob mit Scheiten, Hackschnitzeln oder Pellets betrieben. Kohlenstoff wird zwar freigesetzt, aber in den nachwachsenden Wäldern auch wieder gebunden. Die nunmehr jüngeren Wälder nehmen damit zusätzlich Kohlenstoff auf. Unter den erneuerbaren Energieträgern in Deutschland steht das Holz an erster Stelle (35 Prozent), deutlich vor der Windkraft (16 Prozent), den Biotreibstoffen (14 Prozent) und der Wasserkraft (acht Prozent).

Gleichzeitig werden in den Laboren ganz neue Verfahren entwickelt, Holz für unterschiedliche Zwecke zu nutzen, bis hin zur Textilfaser. Der natürliche Rohstoff wird zum Hoffnungsträger klimaschonender Produktion. In die Aufbruchstimmung aber mischt sich die Einsicht, dass die nutzbare Menge begrenzt ist. Konkurrenzen entstehen – das Holz, das sich für Pellets eignet, ist eben auch bei den Herstellern von Spanplatten oder Papier begehrt. Wenn die steigende Nachfrage nach Holz aller Art zu längeren Transportwegen führt, zu vermehrten Importen, zum verstärkten Zugriff auf das für die Ökologie der Wälder so wichtige Totholz, dann könnten die günstigen Effekte der Holznutzung schnell verspielt sein. Rund zwanzig Prozent des weltweit geschlagenen Holzes gehen in die Papierproduktion. Der Verbrauch steigt nach wie vor erheblich. Die Papierherstellung verbraucht viel Wasser und Energie. Und obwohl Holz auf riesigen Plantagen gewonnen wird, fallen noch immer Bäume aus wertvollen Wäldern für Papierprodukte. Beides ist problematisch und hat mit nachhaltiger Waldwirtschaft wenig zu tun. Deutschland setzt bei der Papierproduktion beachtliche 70 Prozent Altpapier ein, ist aber damit eine Ausnahme. Plantagen mit schnell wachsenden Eukalyptusbäumen für die Zellstoffindustrie sind neben den Palmölplantagen in Malaysia, Indonesien und Südamerika, die die chemische Industrie versorgen, die eintönigsten Flächen der Holzproduktion. Wertvollere Waldflächen fallen dem „grünen Vampir“ zum Opfer. Eukalyptus zieht das Wasser durstig aus dem Boden, der Grundwasserspiegel sinkt. Ganze Lebensräume werden in Mitleidenschaft gezogen. Australien, Südostasien, Südafrika und in großem Maßstab Brasilien setzen auf Eukalyptus.

Noch immer verschwinden weltweit jährlich Waldflächen von ungefähr 13 Millionen Hektar. Neben den Regenwäldern trifft das auch die borealen Nadelwälder auf der Nordhalbkugel, die größten zusammenhängenden Wälder der Erde. Rund 18 Prozent aller Bäume werden in Brasilien und Indonesien abgeholzt, die auch beim Verlust an Urwaldflächen führend sind, gefolgt von Russland und Mexiko und weit vor Ländern wie Sudan, Myanmar, Sambia und Tansania.

Es werden zwar auch neue Wälder aufgeforstet, etwa in China, Spanien, Vietnam, Italien und den USA. Doch deren Qualität ist teils fragwürdig: Monokulturen und Plantagen werden mitberechnet, die die Funktionen des Waldes für Artenreichtum, Wasserhaushalt und Klimaschutz nicht mehr erfüllen. Insgesamt bleiben die Aufforstungen weit hinter der Entwaldung zurück. Der jährliche Nettoverlust an Waldfläche wird heute auf gut sieben Millionen Hektar beziffert. Laut Angaben der UN-Landwirtschaftsorganisatin FAO von 2009 verringerte sich die globale Waldfläche zwischen 1990 und 2005 um drei Prozent. Brandrodungen und Fällungen verursachen etwa 20 Prozent der heutigen Kohlendioxid-Emissionen. Auf die Rodungen folgen die immer gleichen Verwertungsketten: Verkauf der Hölzer, Plantagenbau oder großflächige landwirtschaftliche Nutzung, zum Beispiel für den Anbau von Soja oder Rinderweiden.

Entscheidende Probleme sind der illegale Holzeinschlag, die undurchsichtige Herkunft und die verschlungenen Handelswege von Holz. In vielen Ländern sind 30 bis 80 Prozent der Holzernte illegal. Zertifikate sollen Abhilfe schaffen, allen voran das anerkannte FSC-Siegel. Weltweit sind jedoch erst rund acht Prozent der Waldflächen zertifiziert. Und auch internationale Handelsabkommen, die verbindliche Herkunftsnachweise für Holzimporte festlegen, stecken erst in den Anfängen. 2013 tritt ein Abkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und Kamerun in Kraft, wie es bereits mit dem Kongo und Ghana geschlossen wurde. Danach muss die legale Herkunft des Holzes nachgewiesen werden, ferner werden Anforderungen an die Waldwirtschaft formuliert. Bei Direktimporten aus dem Herkunftsland ist von solchen Abkommen eine gewisse Wirkung zu erwarten. Führen die Handelswege jedoch über weitere Länder, kann auch illegales Holz seinen Weg in die EU finden. Dagegen tritt 2013 die Holzhandelsverordnung in Kraft, die die Verkäufer von Stammholz und Holzprodukten zur Rückverfolgung und zum Herkunftsnachweis verpflichten will. Technische Verfahren wie beispielsweise die Ermittlung eines genetischen „Fingerabdrucks“ sollen das unterstützen.

Bäume wachsen nicht in den Himmel und sie wachsen langsam. Eine nachhaltige Wald- und Holzwirtschaft erfordert Denken in langen Zeiträumen. Doch bestimmend auf dem Holzmarkt sind multinationale Konzerne, die auf Preisschwankungen sofort reagieren und Kosten und Nutzen in kurzen Fristen kalkulieren. Das schnelle Abholzen oder das fixe Wachstum der Plantagenhölzer passen dazu besser als der behäbige Mischwald. Solche Konzerne sind flexibel, sie wechseln häufig den Ort, von dem sie Holz beziehen. Ein langjähriges Engagement in bestimmten Regionen und Wäldern ist nicht unbedingt ihre erste Wahl.

Eine Waldwirtschaft, die ihren Namen verdient, lässt sich ohne gefestigte staatliche Strukturen, die der Korruption widerstehen, nur schwer denken. In Europa, gerade in Deutschland, hat schon vor längerem ein Umdenken eingesetzt. Der Laub- und Mischwald, der über Jahrzehnte wächst und aus verschiedenen der Region angepassten Baumarten besteht, ist wieder auf dem Vormarsch. Riesige mit Fichten besetzte Flächen, die einst schnellen Gewinn versprachen, werden so nicht mehr aufgeforstet. Das hat wirtschaftliche Gründe und ist zugleich eine Reaktion auf das veränderte Klima. Die heftigen Stürme Lothar (1999) und Kyrill (2007) haben nachdrücklich das Risiko von Monokulturen aufgezeigt: Wie Streichhölzer lagen die Nadelhölzer flach. Das Überangebot an Holz ließ die Preise prompt absacken. Der Waldbau muss solche Risiken minimieren – mittels Abkehr von Monokulturen und verminderte Nutzung von Arten, die bei Hitzeperioden und Trockenheit ihre Widerstandskraft einbüßen. So ist das Interesse von Förstern und Forstwissenschaftlern an der deutschen Eiche mit ihrer Pfahlwurzel neu erwacht. Ob weltweit eine vergleichbare Abkehr vom kurzfristigen Kalkül möglich sein wird, bleibt offen.

Die hoffnungsvolle Entwicklung in den hiesigen Wäldern darf nicht vergessen machen, wie sehr Deutschland als Im- und Exporteur von Holzprodukten mit dem weltweiten Holzmarkt verbunden ist. 125 Kilogramm Spanplatte und 250 Kilogramm Papier gehen pro Kopf und Jahr in deutsche Haushalte. Ob Papier, Möbel oder Bau- und Nutzholz, im Pro-Kopf-Verbrauch nehmen die europäischen und nordamerikanischen Industrieländer nach wie vor die ersten Plätze ein. In den Herstellungsprozessen und bei den Halb- und Endprodukten aber ist ein deutlicher Wandel eingetreten. Keine Überraschung: China ist zu einem der führenden Holzverarbeiter der Erde geworden. Die Hälfte des weltweit geernteten Holzes, so eine Schätzung, macht heute Station in einem chinesischen Werk. Bei der Möbel- und Papierproduktion liegen die Chinesen mittlerweile hinter den USA auf dem zweiten Platz. Ob Walmart oder IKEA, praktisch alle großen Konzerne haben heute Niederlassungen und Kooperationspartner in der Volksrepublik.

Dabei ist China nur das eklatanteste Beispiel. Brasilien, Russland, Indien, Indonesien, Malaysia und Chile sind ebenfalls aufstrebende Standorte der Holzindustrie geworden. Alle nähren sich vom weltweit steigenden Verbrauch von Holzprodukten. Der ist zwar eine Chance, unseren Ausstoß an Kohlenstoff zu begrenzen – aber nur wenn der Mehrverbrauch ausgeglichen wird durch Aufforstungen, durch eine qualifizierte Wald- und Holzwirtschaft. Holz wächst nach, Sekunde für Sekunde, doch es braucht Sonne, Wasser und Nährstoffe dafür – den Wald also.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2012: Holz: Sägen am eigenen Ast
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