Hilfe von unten

Städte für Geflüchtete
Griechische und italienische Kommunen sind am stärksten belastet von der Flüchtlingskrise. Die Regierungen in den Hauptstädten der Europäischen Union lassen sie weitgehend allein.

Von der Flüchtlingskrise sind in erster Linie die Kommunen auf den griechischen Inseln betroffen. Nach Angaben von Pro Asyl sitzen etwa 9500 Geflüchtete auf den griechischen Inseln fest und knapp 50.000 warten auf dem Festland auf ihre Asylverfahren. Im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens sollen Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Griechenland gelangen, in die Türkei zurückgebracht werden. Für jeden ausgewiesenen Flüchtling soll nach dem Abkommen ein anderer legal nach Europa einreisen dürfen. Bis Mitte Juli wurden nach Angaben der Europäischen Kommission aber lediglich 802 Flüchtlinge über dieses Resettlement-Programm in Europa aufgenommen. Die europäischen Staaten sind nicht bereit, mehr Flüchtlinge aufzunehmen.

Die griechischen Städte und Regionen werden mit den Flüchtlingen weitgehend allein gelassen. Bereits im vergangenen Jahr gab es einen Versuch der Europäischen Kommission, Griechenland und Italien bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise zu unterstützen. Damals hieß das Programm „Relocation“ und sollte etwa 160.000 Schutzsuchende auf andere EU-Mitgliedsstaaten verteilen. Auch Deutschland hat seine Verpflichtungen nach dem „Relocation“-Programm nicht erfüllt.

Im Juni hat der Stadtrat von Osnabrück daher verkündet, die Kommune wäre bereit, 50 Flüchtlinge direkt aus dem griechischen Bezirk Idomeni aufzunehmen. Es ging dabei um Verwandte von Migranten, die bereits in der niedersächsischen Stadt leben. In Idomeni, einem Ort an der Grenze zu Mazedonien, waren zeitweise Tausende von Flüchtlingen gestrandet. Die Lebensbedingungen in Idomeni seien menschenunwürdig, heißt es im Aufruf der Osnabrücker Initiative „50 Flüchtlinge aus Idomeni“.  Wuppertal, Mannheim, Essen und die Region Wendland folgten dem Vorbild aus Osnabrück. Doch nicht überall haben die Stadtparlamente Forderungen aus der Zivilgesellschaft derart wohlwollend aufgegriffen. So weigerte sich der Stadtrat von Wuppertal, über den Antrag zu beraten.

Auch in anderen europäischen Ländern haben Städte reagiert. Ada Colau, die Bürgermeisterin von Barcelona, hat das Netzwerk „Städte der Zuflucht“ angeregt, um Druck auf die spanische Regierung auszuüben, die eine restriktive Asylpolitik verfolgt. Colaus Idee: ein Register von freiwilligen Familien, die bereit sind, Migranten mit Wohnraum und anderweitig zu helfen. Inzwischen sind Kommunen wie Valencia, Madrid, Zaragoza dem Netzwerk beigetreten.  

"Zeit, dass Städte ihre Stimme erheben"

Polnische Städte wie Breslau oder Warschau zeigen sich ebenfalls durchaus offen für Flüchtlinge. Das Engagement der Kommunen hat allerdings einen Haken: Die nationalen Regierungen entscheiden nach wie vor über die Aufnahme von Flüchtlingen. Städte können lediglich politischen Druck ausüben. Aber es sind Modelle im Gespräch, die dieses Engagement von unten stärken wollen.

Die SPD-Politikerin Gesine Schwan und die portugiesische EU-Parlamentarierin Maria João Rodrigues haben vorgeschlagen, die Europäische Union solle direkt mit den Bürgermeistern europäischer Städte und Gemeinden über die Aufnahme von Flüchtlingen verhandeln und nicht mehr mit den Regierungen der Mitgliedstaaten. Die Kommunen sollten dann auch das nötige Geld für die Versorgung der Flüchtlinge direkt von der Europäischen Union erhalten.

Derzeit wächst die Hilfe von unten weiter. In Deutschland helfen Kommunen ihren griechischen Partnerstädten, die aufgrund der Wirtschaftskrise mit der Situation völlig überfordert sind. Nach einem Hilferuf aus Samos schickte zum Beispiel Sindelfingen seiner Partnerstadt auf der gleichnamigen Insel dringend benötigte Hilfsgüter wie Zelte und Decken zur Versorgung der Flüchtlinge. Nürnberg hat Kavala in Ostmakedonien mit Spenden aus der Bevölkerung für die Flüchtlingshilfe beigestanden.

In Barcelona startete Bürgermeisterin Colau eine Kooperation mit der griechischen Insel Lesbos und der Stadt Lampedusa in Italien, die beide erstes Anlaufziel für Flüchtlinge sind, die per Boot über das Mittelmeer nach Europa kommen.  „Angesichts der offensichtlichen Untätigkeit Europas ist es an der Zeit, dass unsere Städte ihre Stimmen erheben“, sagte Colau bei einer Pressekonferenz. Barcelona will zum Beispiel bei der umweltgerechten Müllentsorgung helfen. Im nächsten Schritt sollen Experten aus Barcelona auch die Stadt Melilla, eine spanische Exklave in Marokko, besuchen, um über mögliche Unterstützung zu beraten.

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erschienen in Ausgabe 9 / 2016: Tourismus: Alles für die Gäste
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