Das erinnert an Zeiten der Ausbeutung

Männer in Anzügen: Der frühere US-Präsident Joe Biden und sechs Afrikaner, darunter Angolas Präsident João Lourenço, vor einer Hafenanlage im angolanischen Hafen Lobito.
picture alliance / ZUMAPRESS.com/Cameron Smith/White House
Es geht um Rohstoffexport: US-Präsident Joe Biden mit Angolas Präsident João Lourenço Ende 2024 an der von den USA und der EU finanzierten Bahn vom Kongo zum angolanischen Hafen Lobito.
Europas Verhältnis zu Afrika
Die europäischen Pläne für eine Partnerschaft mit Afrika folgen nach wie vor Europas Interessen und Vorlieben. Ein Neustart ist möglich, erfordert aber ein neues Ethos statt neuer Slogans.

Das Forbes-Magazin organisierte im Mai 2013 bei den Vereinten Nationen ein „Milliardärsforum für Liberia“. Zu der Veranstaltung kamen Mitglieder der wohlhabendsten Familien; so erschienen Erben der Dynastien von Marriott und Hyatt, ein Sohn des US-amerikanischen Investors Warren Buffet sowie afrikanische Milliardäre wie der nigerianische Gründer und Vorstand der „United Bank of Africa“, Tony Elumelu, und der Unternehmer Patrice Motsepe aus Südafrika. Ziel war, das Potenzial Liberias ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und auch die Probleme, die seiner Entwicklung entgegenstehen. Ich war damals stellvertretender Stabschef der Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf, und wir hofften, dass das Treffen verbindliches Engagement anstoßen könnte. Es lief aber nur darauf hinaus, dass jeder Milliardär ausführlich über seine Arbeit sprach; konkrete Unterstützung für Liberia ergab sich daraus nicht. Ein Jahr später, als wir mit dem Ausbruch des Ebola-Virus kämpften, wandten wir uns hilfesuchend an eben dieses Netzwerk und stießen auf ohrenbetäubendes Schweigen.

Das ist eine persönliche Erfahrung mit sogenannten „Geberkonferenzen“. Auch jenseits davon gibt es eine unselige Serie von außerhalb Afrikas entwickelter Masterpläne für den Kontinent. Nur sehr selten werden sie gemeinsam mit Afrika auf den Weg gebracht oder orientieren sich an afrikanischen Prioritäten. Weil sie überdies in keiner Weise verbindlich sind, bieten sie mächtigen Akteuren aus Politik und Wirtschaft vor allem eine günstige Möglichkeit, ihr moralisches Image aufzupolieren, ohne dass sie der afrikanischen Bevölkerung spürbar nutzen. 

Sein „Marshallplan mit Afrika“ hat wenig gebracht: Entwicklungsminister Gerd Müller mit dem Vizepräsidenten der ­AU-Kommission Kwesi Quartey 2017.

Große „Pläne für oder mit Afrika“ haben mittlerweile eine gewisse Tradition in Europa. Das jüngste dieser Vorhaben ist Italiens „Mattei-Plan für ­Afrika“, der 2024 mit großem Trara vorgestellt wurde – auf den Trümmern des deutschen „Marshallplans mit Afrika“ aus dem Jahr 2017, der seinerseits 2023 durch Berlins deutlich bescheidenere Afrika-Strategie ersetzt wurde. Diese Initiativen, egal wie schön sie verpackt sind, zeigen unverändert eine hartnäckige Geisteshaltung: Lösungen für die Probleme des Kontinents müssten für Afrikaner und nicht mit ihnen erdacht werden. Jeder neue Plan umfasst hochtrabende Erklärungen, Konferenzschleifen und zu wenig Beiträge von Afrikanern. Rücksprache mit Afrikanern ist, wenn überhaupt, symbolischer Natur und dient eher dazu, dem Vorhaben Legitimität zu verleihen, als die Ausgestaltung zu beeinflussen. Afrikanische Partner sind in einer Zwickmühle: Angesichts ernstzunehmender Entwicklungsprobleme und nur wenigen Hebeln für Einflussnahme müssen sie das Spiel mitmachen in der Hoffnung, ihrer Bevölkerung wenigstens irgendetwas bieten zu können. 

Afrika soll für immer Rohstoffe exportieren, andere verarbeiten sie 

Solche Pläne gehen nach wie vor davon aus, dass die Schwierigkeiten, vor denen Afrika steht, am besten von außerhalb analysiert und gelöst werden. Sie geben der Sichtbarkeit der Geber Vorrang vor den Wirkungen der Maßnahmen. Und sie zeigen ein verstörendes Einverständnis damit, dass sich Afrika ganz am Ende der globalen Wertschöpfungsketten befindet – dass es für immer Rohstoffe exportiert, während andere die Früchte von Verarbeitung, Innovation und Handel ernten.

Autor

William Gyude Moore

ist Distinguished Fellow am Energy for Growth Hub in Washington, D.C. Von 2014 bis 2018 war er in Liberia als Minister unter Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf für die Infrastruktur des Landes zuständig.

Ich habe das hautnah miterlebt. Während Nancy Pelosis erster Amtszeit als Sprecherin des US-Repräsentantenhauses von 2007 bis 2011 planten einige Leute, die ich gut kannte, dass ihr kenianischer Amtskollege Pelosi besuchte. Ihr Stab aber schloss ein Treffen mit dem Kenianer aus: Die Sprecherin des Repräsentantenhauses treffe nur Staatschefs. Rund ein Jahr später begleitete ich den liberianischen Außenminister bei einem Besuch in Peking, und Xi Jinping, damals noch Vizepräsident, empfing unsere Delegation mit vollem diplomatischem Protokoll. Das heißt keinesfalls, dass Vertreter nicht westlicher Staaten wie Chinas, der Türkei oder der Golfstaaten selbstlos wären. Aber auch wenn ihr Engagement in Afrika eigenen Interessen dient, erkennen sie doch zumindest an, dass Afrikas eigene Handlungsfähigkeit wichtig ist. Chinas oft belächeltes Win-win-Mantra ist nicht immer leere Rhetorik.

Westliches Engagement orientiert sich dagegen am Budget der Entwicklungszusammenarbeit und damit an dem vermutlich am wenigsten abgesicherten Posten im Staatshaushalt. Hinter Auslandshilfen stehen kaum starke Wählergruppen, die sie gegen Kürzungen verteidigen, wenn damit Haushaltslöcher anderswo gestopft werden sollen. Afrikanische Regierungen verwenden viele Mittel – Personal wie Zeit – darauf, ihre Programme an die neuesten Prioritäten der Geber anzupassen, nur um dann festzustellen, dass ihre Bemühungen das Verhalten der Partner langfristig kaum beeinflussen. Die kürzliche, abrupte Auflösung mehrjähriger USAID-Programme durch die Regierung Trump ohne ein Wort der Rücksprache zeigt diese Asymmetrie auf drastischste Weise. Partnerschaften sind nicht mehr als Vorlieben.

Einfuhren aus Afrika: In den USA nicht erwünscht

Auch die neue Afrika-Politik der Regierung Trump ist ein Beispiel für diese Einstellung. Auf dem Africa CEO Forum in der Côte d’Ivoire skizzierte im Mai 2025 Botschafter Troy Fitrell, der oberste Afrika-Funktionär des Außenministeriums, die Konturen des neuen Ansatzes. Statt eine Vision von gemeinsamem Wohlstand zu entwerfen, stellte Fitrell die US-Exporte nach Afrika heraus. Er verwies viermal darauf, und immer ging es um amerikanische Güter, die ihren Weg auf afrikanische Märkte finden. Dass Einfuhren aus Afrika weder erwünscht waren noch berücksichtigt wurden, versteht sich von selbst. Denn dazu hätte dann gehört, den Africa Growth and Opportunity Act (AGOA) zu erneuern. Das US-Gesetz ist seit über zwei Jahrzehnten das Kernstück US-amerikanisch-afrikanischer Handelsbeziehungen und läuft im September aus. Dennoch war es in der Diskussion über Handelsdiplomatie gar kein Thema.

Textilfabrik in Lesothos Hauptstadt Maseru Mitte 2025. Das Land beliefert den US-Markt mit Kleidung und soll dafür nun mit Zöllen bestraft werden.

Europa unterscheidet sich hier von den USA im Ausmaß, nicht in der Richtung des Politikwechsels. Auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz habe ich an einer Nebenveranstaltung hinter verschlossenen Türen über die Finanzierung gemeinsamer europäischer Verteidigungskräfte teilgenommen. Man war sich in der Erwartung einig, dass zu diesem Zweck die Entwicklungsbudgets gekürzt werden würden. So kam es dann auch. Großbritannien und die Niederlande sind schon dabei, ihr ohnehin schrumpfendes Budget für Entwicklung zugunsten der Verteidigung zu beschneiden. Man darf davon ausgehen, dass der Rest Europas nachzieht.

Für die Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger in Afrika ist es schwierig, Unterschiede zwischen diesem Ansatz und früheren Zeiten der Ausbeutung zu erkennen. Er zeigt sich ihnen als jüngste Version einer auf Rohstoffausbeutung beruhenden Wirtschaftsbeziehung, in der Afrika nicht als Partner umwoben wird, sondern als Exportmarkt, als Quelle von Rohmaterialien und als Schauplatz des geopolitischen Wettbewerbs gilt.

Vom Eisenbahnprojekt quer durch Afrika profitieren andere

Der italienische Mattei-Plan beispielsweise ist von der Zivilgesellschaft in Afrika für die Prioritäten kritisiert  worden, die er in Wahrheit setzt: die Migration aus Afrika nach Europa zu verringern und Zugang zu kritischen Mineralien zu sichern. Der Lobito-Korridor ist das ehrgeizigste Infrastrukturprojekt, das im Rahmen des EU-Programms „Global Gateway“, der US-amerikanischen Agentur zur Entwicklungsfinanzierung (DFC) und des Mattei-Plans unterstützt wird: Es ist ein Eisenbahnprojekt quer durch Afrika, das darauf abzielt, unverarbeitete Mineralien aus der Demokratischen Republik Kongo und aus Sambia zu Exporthäfen zu transportieren. Sie kommen also nicht der Wertschöpfung in Afrika oder der dortigen Industrialisierung zugute, sondern es profitieren andere.

In einer Zeit, in der öffentliche Mittel für Entwicklungsleistungen (ODA) zunehmend umgewidmet und neuen nationalen oder geopolitischen Zielen untergeordnet werden, planen afrikanische Länder etwas anderes für die Beziehungen zum Ausland. Fast jedes Land dort hat einen Entwicklungsplan und strebt danach, bei den Exporten in der Wertschöpfungskette aufzusteigen. Diese Pläne bestehen seit Jahrzehnten. 

China macht sich um die Kakaoverarbeitung verdient

Ein Beispiel ist die Kakaoverarbeitung. Über Jahrzehnte haben Ghana und die Elfenbeinküste über 60 Prozent des weltweiten Kakaos als Rohbohnen bereitgestellt. Europa, insbesondere die Stadt Rotterdam, hat von der Verarbeitung profitiert. Den Rufen der afrikanischen Regierungen nach Verarbeitung im Land begegnete man mit Gleichgültigkeit. Nun haben Côte d’Ivoire und China verkündet, dass sie eine beinahe 250 Millionen US-Dollar teure Verarbeitungsanlage in der Nähe von Abidjan planen, die auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist. 

Sie entsteht in einer Geschäftspartnerschaft eines chinesischen Industrieunternehmens aus Nanning mit dem Rat für Kaffee und Kakao der Côte d’Ivoire. Dort soll Transcao, ein kakaoverarbeitendes Unternehmen, 50.000 Tonnen jährlich verarbeiten, womit es seine Kapazität auf 100.000 Tonnen jährlich verdoppelt. Das Ziel ist, den Rohkakao der Côte d’Ivoire bis 2030 komplett im Inland zu verarbeiten. Dass in einer früheren französischen Kolonie nun der jüngste Partner von außen, China, diese Bemühungen anführt, unterstreicht das Scheitern der langjährigen Beziehung zwischen Europa und Afrika. 

Mehr eigene Wertschöpfung muss das Ziel sein: Ein Arbeiter 2022 in der Anlage in Awazen, Côte d’Ivoire, in der rohe Kakaobohnen weiterverarbeitet werden.

Afrikanische Regierungen als ebenbürtige Partner behandeln

Wie erwähnt sinken die öffentlichen Mittel für Entwicklungsleistungen nicht nur – sie werden umbenannt, umgewidmet und neu ausgerichtet. Wenn Afrika in dieser Konstellation ein passiver Empfänger bleibt, wird seine Entwicklung für immer den politischen Abläufen und dem Sicherheitskalkül seiner Partner untergeordnet.

Aber dies ist noch kein Abgesang auf die Partnerschaft. Europa und der Westen im weiteren Sinn können das Steuer noch herumzureißen. Ein echter Neustart würde allerdings nicht nur neue Slogans erfordern, sondern ein neues Ethos. Europa kann sich von Symbolpolitik wegbewegen hin zu einer substanziellen Beziehung zu Afrika. Dazu gibt es zwei Wege. 

Zum einen müssten afrikanische Regierungen als ebenbürtige Partner behandelt werden. Pläne sollten nicht für Afrika entwickelt werden, sondern mit Afrika. Afrikanische Regierungen sollten nicht nur in Beratungen einbezogen werden, sondern auch in die Mitgestaltung und Kofinanzierung von Entwicklungsprogrammen. Allerdings dürfen sie dann auch nicht mehr einfach jeden neuen Plan abnicken, der ihnen präsentiert wird. Der Mattei-Plan beispielsweise gibt sich als gemeinsames Projekt von Italien und der Afrikanischen Union aus. Vieles spricht aber dafür, dass afrikanische Entscheidungsträger mit äußerster Skepsis auf solche Pläne reagieren sollten. Statt nicht durchsetzbaren Versprechen Legitimität zu verleihen, sollten die afrikanischen Verhandlungsführer fordern, diese Versprechen so mit Geld zu verbinden, dass es zu Kosten führt, sie nicht einzuhalten.

Europa muss in afrikanische Infrastruktur investieren

Zum anderen muss Afrikas Aufstieg in den Wertschöpfungsketten unterstützt werden. Die Handelspolitik muss sich ändern. Europa kann nicht für sich beanspruchen, Entwicklung in Afrika zu fördern, wenn es Zollregeln und regulatorische Hürden beibehält, die afrikanische Exportgüter mit hoher Wertschöpfung benachteiligen. Die Industrialisierung zu unterstützen, muss mehr sein als Rhetorik. Europa muss in afrikanische Infrastruktur investieren, die Handel innerhalb Afrikas erleichtert und nicht nur den Abbau von Rohstoffen.

Eine Studie des Rechercheinstituts Bloomberg NEF hat beispielsweise ergeben, dass Vorprodukte für Batterien aus Werken in der Demokratischen Republik Kongo kostengünstiger sein könnten als solche, die in China oder Polen hergestellt werden, aber einen kleineren ökologischen Fußabdruck verursachen. Dennoch zielt jegliches Interesse von außen, auch das Europas und der USA, an kritischen Mineralien darauf ab, sie außerhalb Afrikas zu verarbeiten.

Die Zeit der großen Pläne ist vorbei. Dass ein weiterer großer Plan oder eine Erklärung irgendeines Akteurs von außen sich als das fehlende Puzzleteil für Afrikas Entwicklung erweist, ist kaum mehr vorstellbar. Europa kann den Erfolg Afrikas nicht weiterhin so definieren, dass er zu europäischen Prioritäten passt. Beiderseitiger Wohlstand erfordert gegenseitigen Respekt – und das beginnt damit, Afrikas Handlungsfähigkeit, sein Potenzial und seine Mitsprache anzuerkennen. Gedeihende Partnerschaften beruhen notwendigerweise auf gemeinsamen Zielen. Afrika ist bereit, seinen Beitrag dazu zu leisten – wenn andere mitmachen.

Aus dem Englischen von Christine Lauer.

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